Delitzsch. Der Fall Norbert Denef – seit gestern deutet sich an, dass der 56-jährige Ex-Delitzscher – ein Bruder des hiesigen Bürgermeisters Gerd Denef und des ehemaligen Bergbaudezernenten Klaus Denef – nicht das einzige Opfer des 1998 verstorbenen früheren Vikars der katholischen Mariengemeinde Alfons Kamphusmann war.

Auf unsere gestrigen Beiträge „Sex-Vorwürfe sorgen für Aufregung“ und „Familie Denef ist erschüttert“ hin meldeten sich anonym gleich mehrere Leser mit der traurigen Botschaft, dass ihnen weitere Fälle von sexuellem Missbrauch durch den Geistlichen zwischen

1958 und 1964 bekannt sind. Norbert Denef selbst bekräftigte gestern auf Anfrage der Kreiszeitung: „Von Kamphusmann wusste damals jeder in Delitzsch, dass er eine Schwäche für Jungen hatte.“

Wie berichtet, ist der heute im Hessischen lebende Norbert Denef, einst Ministrant in der Pfarrei an der Lindenstraße, vor kurzem vom Bistum Magdeburg mit 25 000 Euro bedacht wurde. Laut Nachrichtenmagazin Spiegel ist er damit das erste Opfer eines pädophilen Seelsorgers in Deutschland, das entschädigt wird. Von Entschädigung könne indes keine Rede sein, erklärte Bistumssprecher Thomas Lazar. Die offizielle Sprachregelung aus Magdeburg: „Ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein, hat das Bistum gemäß den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz eine Beihilfe zur Durchführung einer weiteren Therapie angeboten und überwiesen.“ Die Summe bestätigte Lazar erneut nicht.

Therapie ist für Norbert Denef nach Jahrzehnten des Schweigens geradezu überlebenswichtig geworden. Im November 1993 habe er seine vier Geschwister in der Wohnung einer Schwester in Frankfurt am Main mit seiner Geschichte erstmals konfrontiert. Bei dem Treffen mit dabei: Kamphusmann, vormals Freund der Familie Denef und zu diesem Zeitpunkt im Bistum Limburg tätig, und ein zweiter Täter, der in Delitzsch einst als Organist und Chorleiter arbeitete und Norbert Denef ab 1964 missbrauchte. „Die Empörung bei meinen Geschwistern war groß. Sie wollten es einfach nicht wahrhaben“, schilderte Norbert Denef. „Nur zu einer Schwester, die mittlerweile verstorben ist, hatte ich danach noch Kontakt.“ Zu den Gründen für sein langes Zögern, dass Thema öffentlich zu machen, sagte Norbert Denef: „Die Opfer schweigen, weil sie unbewusst ahnen, dass ihnen niemand glaubt. Ich selbst musste mich ein Jahr lang vor den Spiegel stellen und mir immer wieder sagen: ,Ich bin sexuell missbraucht worden.'“ Ihm gehe es nicht ums Geld, sondern um die „aufrichtige Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels kirchlichen Lebens im Lichte der Öffentlichkeit“.“Kamphusmann war mit vielen Familien eng befreundet“, äußerte sich Gerd Denef gestern noch einmal zu den Vorwürfen, die sein Bruder gegen seine Peiniger und die Familie erhob. „Wir haben damals von solchen Problemen bei ihm nichts mitbekommen und erlebten alle eine glückliche Kindheit.“ Dass nunmehr, nach fast 50 Jahren, all das hochkommt, dazu äußerten sich die Denef-Brüder Gerd und Klaus „tief betroffen“. Die Vorwürfe des Bruders, gegen die Familie und die Mutter, die fünf Kinder allein aufzog, „treffen uns schwer“. Dass es Anfang der 90er Jahren bei dem Familientreffen in Frankfurt/Main um den sexuellen Missbrauch gegangen sein soll, können die Delitzscher Brüder nicht bestätigen. „Wie kann es nur sein, dass er dann später, vor über 20 Jahren, noch auf seinen ausdrücklichen Wunsch von dem Vikar, der ihn gepeinigt haben soll, getraut werden wollte?“, fragen sich die Denefs.

Dominic Welters

Leipziger Volkszeitung “Leser sprechen von weiteren Opfern”