Nach dem Bruch meiner Schweigemauer, beim Familientreffen am 6. November 1993, suchte ich Hilfe.
Aus den Büchern wusste ich einiges über Selbsthilfegruppen, wie sie arbeiten und welche Möglichkeiten einer Aufarbeitung der traumatischen Vergangenheit dort möglich ist. Ich ging auf die Suche nach einer solchen Gruppe. In Frankfurt, so dachte ich, sollte das kein Problem sein – ich hatte mich geirrt! „Wenn du in deinem Ort die Hilfe nicht findest die du erwartest, dann werde aktiv und stell selber etwas auf die Beine.“ An diesen Satz erinnerte ich mich, den ich irgendwann einmal gelesen hatte.
Ich beschloss eine Selbsthilfegruppe zu gründen, für Frauen und Männer gemeinsam. Beide haben das gleiche erlebt, warum sollten sie nicht gemeinsam aufarbeiten, sich gegenseitig dabei helfen – das waren meine Gedanken die mich zur Aktivität trieben.
Ich suchte eine „seriöse“ Zeitung im Raum Frankfurt und entschied mich für die Frankfurter Rundschau. Dort wollte ich eine Anzeige aufgeben, um Teilnehmer für die Selbsthilfegruppe anzusprechen. Mit einer Absage hatte ich nicht gerechnet, man teilte mir mit, „dass in der Frankfurter Rundschau keine Anzeigen zur Gründung einer Selbsthilfegruppe – Sexueller Kindesmissbrauch – veröffentlicht werden.“ Aufgeben wollte ich nicht, also griff ich wieder zum Telefonhörer, und ließ mich diesmal nicht mit der Anzeigenabteilung, sondern mit dem redaktionellen Teil verbinden und sagte: „Wenn Sie Interesse an einer Geschichte über sexuellen Missbrauch haben, dann bin ich bereit dazu Ihnen meine zu erzählen, unter einer Bedingung, die Gründung meiner Selbsthilfegruppe muss im Artikel erscheinen.“ Schon am nächsten Tag wurde meine Geschichte aufgenommen und kurz danach veröffentlicht. Auf Grund dessen meldeten sich Teilnehmer – die Selbsthilfegruppe hat zwei Jahre lang zusammen gearbeitet.