KörperPotenziale
in der Psychotherapie
29.5. – 31.5.2007 in Leipzig

Offener Brief von Norbert Denef, 2. Juni 2007

– Wie ich mich als Ehrengast auf dem Kongress fühlte –

Seit 18 Jahren versuche ich mich nicht mehr hinter meinen „Masken“ zu verstecken, einen Weg zu finden, auf dem ich mich lebendiger fühle. In meinem Buch „Ich wurde sexuell missbraucht“ habe ich den Versuch unternommen, diesen Weg zu beschreiben. Leider war es nicht möglich, es auf dem Kongress käuflich zu erwerben. Obwohl der Bücherstand Exemplare meines Buches erhalten hatte, wurde es nicht zum Verkauf angeboten. Auch auf Nachfrage, bereits schon am ersten Tag, war es nicht möglich, zwei Tage später das Buch zu bekommen. Das finde ich unverständlich, denn in jeder Buchhandlung bekommt man es spätestens am nächsten Tag nach der Bestellung.
Meiner Bitte, die Teilnehmer des Kongresses darauf hinzuweisen, wurde nicht entsprochen. Dieser Zustand fühlte sich für mich nicht gut an. Ich setzte eine Maske auf, um mich gegen Ignoranz zu schützen – habe mich angepasst und gelächelt.

Am 30. Mai wurde ich im Plenum als Ehrengast vorgestellt. Für Kongressteilnehmer, die nicht im Internet nachgelesen hatten, dass ich daran teilnahm war das eine Überraschung, denn in den Kongressunterlagen fehlte jegliche Information.
Für alle Teilnehmer im Plenum war ein Platz mit Namensschild vorgesehen – mein Schild fehlte. Ein Versehen, dachte ich, was bei der sonst so guten Organisation des Kongresses auch mal vorkommen kann. Obwohl ich kurz vor dem letzten Plenum auf diesen Fehler aufmerksam machte, fehlte es auch in dieser Runde. Daraufhin setzte ich mich demonstrativ in den Hörsaal – ich fühlte mich ausgegrenzt und gemieden. Irina Vogt nahm das wahr und reagierte darauf, indem sie mich bat, in der Runde Platz zu nehmen. Ralf Vogt forderte aus Solidarität die anderen Plenumsteilnehmer auf, ihre Namensschilder zu entfernen. Als Ehrengast fühlte ich mich dennoch nicht, sondern nur als bedauernswertes Opfer behandelt – über das man zwar im Kongress redete, aber es als Diskussionsteilnehmer nicht wirklich wahrnahm.

Im Vortrag von Michaela Huber stellte ich die Frage, wie sie damit umginge, wenn im Verlauf der Therapie Bilder auftauchen, in denen der Klient auf dem Bauch der Mutter liegt und mit seinem Mund an deren Schamlippen gedrückt wird. Meine Absicht war es, anhand dieses Fallbeispieles, ihren Umgang mit einer solchen Situation zu erfahren. Ich äußerte Zweifel an dem Erfolg des von ihr geschilderten Therapieverlaufes. Frau Huber reagierte mit einer Gegenfrage; ob ich der Betroffene sei. Ich empfand das als eine Demonstration von Macht, mich in die Rolle des Opfers zu drängen.
Es muss wohl noch sehr viel Zeit vergehen, bis es möglich sein wird, über Macht und Ohnmacht auf gleicher Stufe zu sprechen.

Norbert Denef

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