Fachtagung der Justiz und Polizei zu Opferschutz im Strafprozess um sexuellem Missbrauch

Von Bettina Thoenes

Mit dem verstärkten Einsatz von Videovernehmungen will die Braunschweiger Staatsanwaltschaft Opfer sexuellen Missbrauchs im Strafprozess besser schützen.

Für Sexualstrafopfer unter 18 Jahren kann eine solch richterliche Vernehmung eine spätere Zeugenaussage vor Gericht ersetzen. Robert Grain hat schon Großväter zusammenbrechen sehen, die ihre Enkel missbraucht hatten. Väter. Stiefväter. Wenn sie im Nebenzimmer sitzen, in das die Videovernehmung ihrer kindlichen Opfer übertragen wird, bringt es kaum mehr einer fertig, die Tat weiter abzustreiten.

Als Sonderermittlungsrichter hat Grain im Münchner Amtsgericht bisher an die tausend Kinder und Jugendlichen nach sexuellen Übergriffen mit Unterstützung von Videoaufzeichnungen vernommen. Die übrigen Prozessbeteiligten – Beschuldigter, Verteidiger, Staatsanwalt – können die Vernehmung von Nachbarraum aus verfolgen und Fragen stellen. Grains Erfahrung: Ist an dem Vorwurf was dran, „enden fast alle mit einem Geständnis“.

„Es ist eine vorweg gezogene kleine Hauptverhandlung“, erläutert der bayerische Richter in der Braunschweiger Brunsviga vor mehr als 60 niedersächsischen Richtern, Staatsanwälten und Polizeibeamten, die zur effektiveren Verfolgung von Sexualstraftaten erstmals zu einer interdisziplinären Fachtagung zusammengekommen sind.

Wird die Möglichkeit der richterlichen Videovernehmung im Ermittlungsverfahren in Braunschweig bisher kaum genutzt, hat Bayern eine bundesweite Vorreiterrolle übernommen. Spezialisierte Ermittlungsrichter vernehmen jedes minderjährige Opfer eines Sexualdeliktes via Video und ersparen ihm so Mehrfachvernehmungen wie auch den Gang vor Gericht.

Ute Lindemann, in einem Anfang des Jahres gegründeten Sonderdezernat der Staatsanwaltschaft für die Verfolgung sexuellen Missbrauchs zuständig, sieht darin eine gute Möglichkeit des Opferschutzes. Ihr Anliegen: dass dieser vom Gesetzgeber Anfang Oktober für alle Minderjährigen geebnete Weg künftig häufiger beschritten wird.

Im Dezember ist die Staatsanwältin vor dem Landgericht erstmals an einem Verfahren beteiligt, in dem eine Videoaufzeichnung die Zeugenaussage des Kindes ersetzen soll. Neben dem Opferschutz verbindet Lindemann damit auch den Vorteil einer frühzeitigen Beweissicherung – bevor die Erinnerung verblasst.

Doch nicht nur die Videovernehmung war gestern Thema der Tagung, zu der die Generalstaatsanwaltschaft eingeladen hatte. Im Hintergrund stand auch der Erfahrungsaustausch. Denn die Strafverfolgung in diesem sensiblen Bereich, so die Erkenntnis, erfordere ein abgestimmtes und reibungsloses Zusammenwirken aller Beteiligten.

Quelle:

http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/2048/artid/11294971