Kindesmissbrauch ist stets ein brisantes Thema, das nicht tabuisiert werden darf. Davon ist auch Ju-Jutsu-Jugendtrainerin Annemarie Besold (50) überzeugt. Im Arbeitskreis „Gewaltprävention der Deutschen Ju-Jutsu-Jugend“ entstand mit ihr nun das Projekt „Sexuellen Missbrauch im und durch Sport verhindern“. Ziel ist es, das Projekt in allen VfL-Sparten anzubieten.

n Frau Besold, was war der Anlass, dieses Projekt ins Leben zu rufen?

Anlass waren Vorfälle in Sportvereinen in Berlin. Kindesmissbrauch durch erwachsene Ehrenamtliche gibt es in allen Organisationen, die mit Jugendlichen zu tun haben. Wenn es den Tätern zu brenzlig wird, ziehen sie in eine andere Region und machen in einem anderen Bereich weiter.

n Wie kann man speziell im Sportverein sexuellen Missbrauch verhindern?

Das Thema darf nicht totgeschwiegen werden, denn dann hat der Pädophile es leicht, Strukturen zu schaffen, wie er seinen Missbrauch durchziehen kann. Er lullt andere ein, baut sich Seilschaften auf. Diese Leute geben sich betont engagiert für den Verein. Wenn Trainer, Übungsleiter oder andere Funktionäre sensibilisiert werden, was ablaufen könnte, können sie die Kinder schützen. Die Schnittstelle bilden die Trainer und Übungsleiter.

n Wie können sie die Kinder konkret schützen?

Die Trainer werden in Fortbildungen von uns geschult und sensibilisiert. Jeder, der im Bereich Ju Jutsu Kinder und Jugendliche trainiert, muss sich mit einem Verhaltenskodex auseinandersetzen und den auch unterschreiben. Dabei geht es auch darum, Trainer zu schützen, in falschen Verdacht zu geraten.

n Welche Grundlagen gibt es da?

Man sollte etwa nicht mit den Kindern zusammen duschen. Im Training sollte man Kinder bei Demonstrationen erst fragen, bevor man sie berührt. Idealerweise werden alle Gruppen von einem gemischtgeschlechtlichen Trainerteam geleitet und bei Ausflügen auch begleitet. Man sollte als Trainer auch darauf achten nicht mit einzelnen pubertierenden Mädchen oder Jungen, die in einen verknallt sind, allein in der Turnhalle oder Umkleide zu sein.

n Müssen Trainer gewappnet sein, dass sie unter falschen Verdacht geraten könnten?

Der Trainer, der sich mit den Grundlagen und dem Kodex beschäftigt, bekommt ein tieferes Verständnis. Über vieles hat man sich oft noch keine Gedanken gemacht. Falsche Verdächtigungen sind schon vorgekommen, etwa aufgrund unerwiderter Teenager-Liebe. Da hilft es, das Training transparent zu halten. Das ist ein Tipp, aber kein Muss. Durch unser Projekt werden die Trainer sensibilisiert und können dann ihre Schützlinge und deren Eltern in einem Infoabend konkret aufklären. In unserer Sparte machen wir das bereits.

n Und Sie wollen das Projekt „Sexuellen Missbrauch im und durch Sport verhindern“ auf alle VfL-Sparten ausweiten?

Ja, das schwebt uns vor. Bisher ist es so, dass alle Kinder, die ins Ju Jutsu kommen, erst einmal das Projekt „Nicht mit mir“ durchlaufen, bei dem es um Gewaltprävention, Selbstbehauptung und Selbstverteidigung geht. Der Zulauf ist so groß, dass wir momentan einen Aufnahmestopp haben. Ein Teilaspekt von „Nicht mit mir“ ist auch der sexuelle Missbrauch. Kinder lernen da die plumpen Tricks der Pädophilen kennen. Kindgerechte Comics zeigen, mit welchen Verlockungen die sich einschleichen, mit welchen Maschen sie die Kinder vereinnahmen.

n Zum Beispiel?

Mit Alkohol, ins Kino oder zum Essen einladen, oder zu sich nach Hause, wo die Kinder Pornos schauen dürfen. Wir wollen die Kinder zum Denken anregen. Wenn ein Erwachsener Kindern Verbotenes erlaubt, was hat er davon? Wir animieren sie, darauf zu hören, wenn sie ein blödes Gefühl haben. Sie lernen, auf unterbewusste Wahrnehmung zu vertrauen und dass es bei Berührungen auf die Qualität ankommt, gerade in einem Sport mit Körperkontakt.

n Gibt es auch kritische Stimmen aus den Reihen der Trainer?

Ja, die gibt es. Manche haben Angst, dass durch das Projekt eine Misstrauensatmosphäre geschaffen wird und Trainer unter Generalverdacht geraten. Wir wollen keinen Keil zwischen Trainer und Eltern treiben, sondern ein Schutzschild bilden. Und da sind Trainer und Übungsleiter die wichtigsten Ansprechpartner. Wir wollen deutliche Signale nach außen senden, dann wird sich ein Pädophiler zweimal überlegen, in so einen Verein zu gehen. Langfristig wird sich das Projekt hoffentlich etablieren. kla

Quelle:

http://www.ovb-online.de/waldkraiburg/nimm-bloedes-gefuehl-ernst-589328.html