» Zur Entscheidung des BGH, Karl D. nicht in Sicherungsverwahrung zu nehmen / Die Politik muss bestehende Lücken dringend schließen

(Berlin) – Der heutige (13. Januar 2010) Beschluss des Bundesgerichtshofs, Karl D. auf freien Fuß zu lassen, ist ein juristisch korrekter Beschluss, der nur geltendes Recht anwendet. Durch die Rechtsanwendung ist der als hoch gefährlich eingeschätzte und sadistisch veranlagte Wiederholungstäter, dem mehrere Gutachter eine akute Wiederholungsgefahr attestierten, nun auf freiem Fuß. Aufgrund bestehender Gesetze muss die Polizei zukünftig eine 24-Stunden-Überwachung in Heinsberg aufrecht erhalten. Weiterhin besteht das Risiko, dass wieder Mädchen von Karl D. gequält und missbraucht werden. Auch im Oktober 2008 wurde dem 61-jährigen Sexualstraftäter Hilmar N., der seine kleine Stieftochter missbraucht und während der Haft jegliche Therapien verweigert hatte, zwar die Gefährlichkeit gutachterlich attestiert, jedoch blieb er wegen eines Formfehlers – aufgrund einer Erkrankung konnte der Gutachter nicht aussagen – auf freiem Fuß. Das schleswig-holsteinische Innenministerium signalisierte damals, dass eine Rundumüberwachung aus personellen Gründen nicht möglich sei.

Das Urteil im Fall von Karl D. überrascht nicht, denn die gravierenden Mängel sind lange bekannt. Seit Jahren fordert die Deutsche Kinderhilfe, die eklatanten und unverständlichen Lücken bei den Regeln über die Anordnung der sog. nachträglichen Sicherungsverwahrung zu schließen. Die Amtsvorgängerin von Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat dies nach Übersendung entsprechender Reformvorschläge ausdrücklich abgelehnt. Auch persönliche Gespräche mit Innenpolitikern der SPD und CDU-Fraktion konnten diese nicht von der Notwendigkeit von Reformen überzeugen. Nach wie vor werden die Interessen der Täter höher eingestuft als die der Opfer.

Klarer als durch den heutigen (13. Januar 2010) Beschluss des BGH kann die Absurdität der bestehenden Rechtslage nicht deutlich gemacht werden. Nun ist neue Regierung am Zug. Es ist den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr zu vermitteln, dass in diesem hoch sensiblen Bereich der ansonsten so regelungswütige Gesetzgeber nichts tut. Kinder als Opfer von Straftaten scheinen schlichtweg nicht auf der politischen Agenda zu stehen. Dieses Ungleichgewicht spiegelt sich auch darin wider, dass Sexualdelikte an Kindern immer noch nur als Vergehen, an Erwachsenen jedoch stets als Verbrechen gelten.

Die Sicherungsverwahrung ist keine Strafe sondern eine Schutzmaßnahme, die angeordnet werden muss, wenn der Täter als gefährlich gilt. Entscheidend ist die Feststellung der Gefährlichkeit und nicht die Tatsache, wann die Gutachten oder die Tatsachen der Gefährlichkeit dem Gericht vorgetragen werden. Wie soll ein in Haft befindlicher Straftäter seine erneute Gefährlichkeit belegen? Wenn diese von kompetenten Gutachtern nach klaren Richtlinien festgestellt wird, darf es auch nicht darauf ankommen, ob etwaige Fristen oder richterliche Verfügungen in früherer Zeit versäumt wurden.

Entscheidend ist der Schutz der Gesellschaft – insbesondere der schwächsten Mitglieder – vor der Gefahr, die von gefährlichen Tätern ausgeht. Um dies zu erreichen ist der Gesetzgeber umgehend gefordert, die Regelungen neu zu fassen, bevor das nächste kindliche Missbrauchsopfer zu beklagen ist.

„Muss erst ein weiteres Kind Opfer eines gefährlichen Sexualstraftäters werden? Reicht der Tod des kleinen Peter aus München, Felix aus Neu Ebersdorf, Pascal aus Saarbrücken oder Mitja aus Leipzig nicht aus? Um Kinder effektiv zu schützen muss nur diese seit langem bekannte Lücke geschlossen werden. Fehlt etwa der politische Wille dazu?, so RA Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe in Berlin.

Die nun fortzusetzende 24-Stunden-Rundumüberwachung, der sich Karl D. schon einmal entziehen konnte, kostet nach Angaben aus Polizeikreisen 100.000 Euro im Monat. Geld, das sicher anders besser eingesetzt werden könnte, beispielsweise für ein zügiges Gesetzgebungsverfahren!

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