Badische Zeitung 5.02.2010

FREIBURG. Immer mehr Fälle sexuellen Missbrauchs werden an katholischen Schulen bekannt, auch an der Jesuitenschule St. Blasien soll es zu Übergriffen gegenüber männlichen Schülern im Alter von 13 bis 16 Jahren gekommen sein. Am Donnerstag wurde bekannt, dass es auch am Bonner Aloisiuskolleg des Jesuitenordens Fälle sexuellen Missbrauchs gegeben hat.

Da die Fälle jedoch bereits in den 70er- und 80er-Jahren stattfanden, stellt sich die Frage, ob die Täter heute noch mit Strafverfolgung und Schadensersatzansprüchen rechnen müssen. Strafrechtlich gilt, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern grundsätzlich zehn Jahre nach der Tat verjährt. Wenn das Kind dabei auch penetriert wurde, gilt der Missbrauch als Vergewaltigung und verjährt erst nach zwanzig Jahren.

Seit 1994 beginnt die Verjährung von Sexualdelikten allerdings erst zu laufen, wenn das Opfer volljährig geworden ist. So soll verhindert werden, dass gerade die Taten von Kindesmissbrauch in der Familie schon verjährt sind, wenn das Opfer wagt, sich von den übergriffigen Eltern oder Verwandten zu lösen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese nachträgliche Verlängerung der Verjährung im Jahr 2000 auch für ältere Fälle gebilligt.

Soweit bisher bekannt, fanden die letzten Missbrauchsfälle an Jesuitenschulen 1984 statt. Wenn das Kind damals 13 Jahre alt war, dann begann die Verjährungsfrist 1989 zu laufen. Selbst eine Vergewaltigung wäre dann also 2009 strafrechtlich verjährt.

In der Schweiz wurde im November 2008 per Volksabstimmung die Verjährung für Sexualdelikte an Kindern völlig aufgehoben. In Deutschland wird dies bisher vor allem von Opfergruppen gefordert. Bisher ist bei uns nur Mord nicht verjährbar und auch dies war früher nicht der Fall. Erst als Mitte der 60er-Jahre das bis dahin kaum geahndete NS-Unrecht zu verjähren drohte, wurde die Verjährung für Mord mehrfach verlängert und schließlich 1979 ganz aufgehoben.

Andere Verjährungsregeln gelten für zivilrechtliche Ansprüche, insbesondere wenn die Opfer Schadensersatz von den damaligen Tätern fordern wollen. Grundsätzlich verjähren solche Ansprüche drei Jahre nachdem der Schaden eingetreten ist und der Verursacher bekannt wurde, maximal zehn Jahre nach der Tat. Allerdings hat auch hier der Gesetzgeber inzwischen Sonderregeln geschaffen, die den Opfern sexuellen Missbrauchs helfen sollen. So beginnt die zivilrechtliche Verjährung bei Sexualdelikten erst mit dem 21. Geburtstag des Opfers zu laufen. Doch auch dann wäre die dreijährige Verjährungsfrist in den Jesuiten-Fällen längst abgelaufen.

Doch das Oberlandesgericht Karlsruhe hat 2001 entschieden, dass die zivilrechtliche Verjährung generell gehemmt ist, solange sich ein traumatisiertes Opfer gar nicht an die Tat erinnert. Dies gilt dann als „höhere Gewalt“, muss allerdings durch ärztliche Gutachten belegt werden. In solchen Ausnahmefällen könnte auch heute noch Schadensersatz gefordert werden.

Quelle:

http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/deutschland/missbrauch-duerfte-verjaehrt-sein–26565734.html