Ich war noch keine 4 Jahre alt.
Ich habe lebenslänglich – lebenslänglich zu leiden unter den Folgen sexualisierter Gewalt, durch mehrere Täter, Folter im Kindesalter. Die Folgen: Todessehnsucht, Borderline-Persönlichkeitsstörung, Ess- und Magersucht, Drogensucht, Tablettensucht, Alkoholsucht, Arbeitssucht. Von den Süchten abstinent bin ich seit mehr als 18 Jahren und zwar so lange, als ich begonnen habe über den Missbrauch zu reden, das Verbrechen offen zu machen. Trotz alledem habe mich auf den Weg der Genesung begeben, arbeite hart am wieder heil werden. Was ein grausam langsamer Prozess ist, welcher in diesem Leben nicht mehr abzuschließen sein wird.
Ich lebe ein Leben von geringen Einkünften. Bin dabei manchmal zufrieden, auch manchmal glücklich.
Kunst ist für mich die Möglichkeit, nicht an der Wahrheit zu sterben.
Die Albträume bleiben, die eigenen Schreie in der Nacht, die Ängste, all das Leid.
Hätte ich nicht die Kunst entdeckt, die mich immer wieder aus den Löchern zieht, das Grauen vergessen lässt, für Tage, Stunden, Minuten, könnte ich heute nicht mehr Leben.
Es ist nicht einfach damit umzugehen, es waren ganz schreckliche Erfahrungen, die mich mein ganzes Leben lang begleiten.
Leider trifft es viel zu viele, immer wieder und wieder.
Es fehlt die Anerkennung der Folgen dieser schrecklichen Taten, am Körper, an der Seele, durch die Gesellschaft, durch unseren Staat. Täter werden geschützt und die Opfer zum schweigen gebracht, das ist unmenschlich, ein Verbrechen. Täter bleiben auf freiem Fuß weil die Taten verjähren oder bekommen geringe Strafen, wir Opfer haben lebenslänglich. Lebenslänglich daran zu tragen.
Sagt es laut, hört Ihr anderen Opfer, sagt es laut was man euch angetan hat, es ist der einzige Weg den es gibt, die Verbrechen offen zu machen, hört niemals auf Euch zu wehren und über die Taten der Unmenschen zu sprechen.
SAGT ES LAUT!
Pia Survivor
Liebe Pia, ich muss immer wieder das Foto angucken und finde es einfach ganz ganz furchtbar. Ich würde gerne das Kind in den Arm nehmen. Ich habe mich einmal beim Weißen Ring beschwert, der eine Plakatkampagne unterstützt hat. Ein Plakat zeigte eine kleines Mädchen von etwa neun Jahren mit dem Titel: Diese kleine Hure hat ihren Onkel verführt. Ich habe einen zwei Seiten Beschwerdebrief geschrieben, wie sie dazu kommen, dieses Kind zu missbrauchen, ob sie noch alle Tassen im Schrank haben usw. usw. usw. Aber hier hast du es ja selber reingestellt. Es ist furchtbar, was du durchgemacht hast. Und gut, dass du die Kunst gefunden hast, die dir hilft. Bei mir ist es die Musik. Wie hier schon viele festgestellt haben, gibt es keine gescheiten Therapeuten. Auch nach meiner persönlichen Einschätzung sind 90 % aller Therapeuten Dilettanten. Vielleicht können Missbrauchsopfer und Gewaltopfer einmal zusammen ein Buch schreiben, in dem sie schreiben, was ihnen geholfen hat.
Liebe Grüße Wilma
Liebe Pia,
die Überschrift deines Textes erinnert mich an einen Pfarrer hier bei uns. Jeden Sonntag predigte er von der Kanzel, was der Mensch, der gute Christ, zu tun und zu lassen hat. Jedes Mal kramte er die Zehn Gebote hervor, nicht ohne darauf hinzuweisen was passiert, wenn man sie nicht befolgt.
Derselbe Pfarrer feierte sehr gerne. Man fand ihn jedes Wochenende bei den Nachbarn meiner Eltern. Die Nächte meiner Eltern waren nahezu schlaflos, weil der Pfarrer mit den Nachbarn lautstark soff – anders kann ich es nicht bezeichnen. Und er soff nicht nur mit den Nachbarn, sondern auch mit seiner Haushälterin. War die Feierei zu Ende, wankten Pfarrer und Haushälterin eng umschlungen und immer wieder knutschend heim.
Dieselbe Haushälterin stand öfter mal morgens, wenn ich meine Kinder in den Kindergarten brachte, im süßen Negligé in der Haustür des Pfarrers und warte auf den Hund, der kurz zum Verrichten seines Geschäftes nach draußen geschickt wurde. Einmal wies ich eine ältere Nachbarin, die zufällig mit meinen Kindern und mir denselben Weg hatte, darauf hin. Ihr Kommentar: „Da hat die Hure wohl den Pfarrer verführt!“
Ja, ist klar, oder? Nicht, dass ich dem Pfarrer diese Beziehung nicht gegönnt hätte. Mich stört diese Scheinheiligkeit auf der einen Seite und der Deckmantel, das Schönreden auf der anderen, da könnte ich kotzen!
Ich wünsche dir viel Kraft!
Liebe Grüße,
Elke
Liebe Wilma,
ganz kurz nur zu deiner Aussage, dass es keine gescheiten Therapeuten gibt: Doch, es gibt sie, und ich finde es schlimm, dass du noch nicht an so jemanden geraten bist. Es gibt sicher nicht viele gute Therapeuten, aber es gibt sie!
Ich würde gerne ein Liste zusammenstellen und veröffentlichen, auf der gute Therapeuten zu finden sind. Wer macht mit?
Liebe Grüße,
Elke
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Hallo Elke,
hier findest Du ein solche Liste…
Herzliche Grüße
Norbert Denef
Liebe Wilma,
du schreibst „Vielleicht können Missbrauchsopfer und Gewaltopfer einmal zusammen ein Buch schreiben, in dem sie schreiben, was ihnen geholfen hat“. Das finde ich eine gute Idee!
Eine genauso gute Idee allerdings finde ich, wenn sich alle von sexualisierter Kindesmisshandlung Betroffenen zu einem Buch zusammen tun, in dem sie ihre WAHREN ERFAHRUNGEN mit Psychotherapeuten beschreiben. Ich behaupte, das würde ein Grusel-Bestseller – und die Psychotherapeuten-Szene mächtig unter Rechtfertigungsdruck setzen!
Hallo Petra, die Idee ist s u p e r!!! Das müssten wir machen!! Das wird hundertprozentig ein Bestseller!!
Es gibt schon so ein Buch über Ärzte. Da gibt es sogar mehrere. Ich hatte insgesamt sechs und einen Rehaaufenthalt.
Die Ärztin dort hat den Vogel abgeschossen. Ich denke mir schon mal einen Titel aus.
@Elke Ich habe nicht gesagt, es gibt keine, sondern meiner persönlichen Meinung nach sind 90 % Dilettanten und 10 % sind in Ordnung. Von denen die in Ordnung sind, habe ich noch keinen getroffen.
Der Wunsch nach Erfahrungsaustausch, oder ein Buch zu kreieren, das darüber berichtet, was Betroffenen hilft, half zur Genesung und zum Heil werden… vielleicht könnte Norbert die Möglichkeit hier im Forum bieten, wo jeder User seine (ich würde es bevorzugen, wenn es positive und motivierende wären, denn negative helfen hier ja keinem) Erfahrungen schildern könnte.
Das Buch, das ich eines Tages veröffentlichen werde, geht genau darum. Es schildert den ganzen Verlauf meiner Therapiezeit, jede einzelne Stunde, und zeigt auf, wie langsam aber doch kleine Fortschritte spürbar werden, wie behutsam Heilung geschieht.
Ein fettes Danke an dich Norbert, dass du die Idee mit der Therapeutenliste so rasch umgesetzt hast.
Lieben Gruß von Sarah M.
Also, lasst es uns machen!! Nehmt euch mal die Zeit und schreibt eure gesammelten SCHLECHTEN Erfahrungen (über die guten darf an anderer Stelle berichtet werden!) mit Psychotherapeut/innen zusammen. Die können namentlich unkenntlich gemacht werden, Orte und Daten sollten aber stimmen.
Wer sich an einem entsprechenden Buchprojekt beteiligen möchte (was nur Sinn macht, wenn es wirklich viele sind, um nicht in die Ecke „Ausnahme“ gestellt zu werden!), signalisiert es mir (muss ich noch überlegen, wie, gebe euch Bescheid). Und dann schaun wir mal, ob sich nicht ein Verlag findet, der daran – in DIESEN Zeiten – interessiert wäre… ;o)))))