Pressemitteilung

Überwiegende Mehrheit der Bevölkerung unterstützt Forderung der Deutschen Kinderhilfe nach Gesetzesänderungen: Sexueller Missbrauch zukünftig Verbrechen statt Vergehen und Abschaffung der Verjährungsfristen

Berlin, 23. April 2010

Anlässlich des heute beginnenden Runden Tisches zum Thema sexueller Missbrauch fordert die Deutsche Kinderhilfe erneut die Verabschiedung überfälliger rechtlicher Reformen.

Die Abschaffung von Verjährungsfristen und die Einstufung sexuellen Missbrauchs  von Kindern als Verbrechen und nicht, wie die derzeitige Rechtslage vorsieht, als Vergehen, sind notwendige Schritte, die unabhängig von den Ergebnissen des Runden Tisches unverzüglich in Angriff genommen werden sollten.

Die Dringlichkeit dieser Reformen belegt eindrucksvoll eine von Infratest Dimap im Auftrag der Deutschen Kinderhilfe durchgeführte Umfrage. In dieser sprachen sich 97% der Befragten dafür aus, dass zukünftig sexueller Missbrauch von Kindern auch als Verbrechen geahndet wird. Eine Rechtslage, die Raub und Drogenhandel als Verbrechen einstuft, sexuellen Missbrauch von Kindern hingegen grundsätzlich als Vergehen klassifiziert, macht  Kinder zu Opfern zweiter Klasse und ist das falsche rechtspolitische Signal.

Auch bei der Forderung, Verjährungsfristen für Sexualdelikte ganz abzuschaffen, sieht sich die Deutsche Kinderhilfe durch die Umfrageergebnisse bestärkt. So spricht sich 87%, also die überwiegende Mehrheit der Befragten, für die Abschaffung der Verjährungsfristen sowohl im Straf- als auch im Zivilrecht aus.

Gerade Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche dienen in erster Hinsicht den Betroffenen und können bei der Aufarbeitung der Traumatisierung eine wesentliche Rolle spielen. Aber gerade diese Ansprüche verjähren in Fällen des sog. einfachen sexuellen Missbrauchs schon nach drei und nur in besonders schweren Fällen nach dreißig Jahren. Vor diesem Hintergrund ist die Ankündigung, die zivilrechtlichen Verjährungsfristen sollen auf 30 Jahre verlängert werden, reine Augenwischerei. Die Differenzierung nach einfachem und schwerem sexuellen Missbrauch muss sowohl bei den strafrechtlichen als auch bei den zivilrechtlichen Verjährungsfristen überwunden werden. Sexuell Missbrauchte leiden ihr Leben lang unter den Folgen der Straftat und können häufig erst nach Ablauf der Verjährungsfristen darüber sprechen.

Durch die täterfreundlichen Fristen erfahren die Betroffenen das Signal, dass der Gesellschaft, die häufig beim Missbrauch weg gesehen hat, auch später nichts an der Aufarbeitung der Taten liegt. Das von der Deutschen Kinderhilfe unterstützte Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt (netzwerkB) fordert die Politik und die am Runden Tisch vertretenen Institutionen auf, sich für die Aufhebung der Verjährungsfristen einzusetzen, um den lebenslangen psychischen und physischen Folgen sexualisierter Gewalt Rechnung zu tragen. „Das netzwerkB erwartet – gerade von den Kirchen und Trägern von Bildungs-, Betreuungs-, und Jugendeinrichtungen – die Bereitschaft zu Aufklärung von Pädokriminalität und fordert mehr Bereitschaft zur Prävention,“ so Norbert Denef, Vorsitzender des netzwerkB. Im Hinblick auf zukünftige Maßnahmen erwartet er ferner: „Wir Betroffene von sexualisierter Gewalt wollen nicht mehr vertreten werden, sondern wollen mitreden, wenn es darum geht das Schweigen zu brechen.“

Der Runde Tisch bietet die Chance für nachhaltige Veränderungen des in vielen Bereichen immer noch verdrängten Themas. Die Deutsche Kinderhilfe erwartet positive Signale im Bereich der Prävention und Aufklärung von sexuellem Missbrauch. Ein Runder Tisch entbindet jedoch weder den Gesetzgeber von der Pflicht, längst überfällige Reformen zu verabschieden, noch die Länder und Kommunen, bereits jetzt flächendeckende Beratungs- und Therapieangebote zu schaffen sowie Präventionsprojekte zu fördern.

„Die Umfrage belegt eindrucksvoll, dass bei diesem Thema ein Aussitzen oder die Hoffnung auf ein Auslaufen der Debatte nicht zu vermitteln sind und die Bevölkerung Taten erwartet. Für den Gesetzgeber steht der klare Handlungsauftrag, die Fehlkonstruktion des Strafrechts zu beheben und ein klares Signal für mehr Opferschutz auszusenden“, so RA Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe.

Pressekontakt: Deutsche Kinderhilfe e.V., Julia Gliszewska, Vorstandssprecherin, Tel. 030/24 34 29 40, presse@kinderhilfe.de, www.kinderhilfe.de