Bundeskanzleramt, Bundeskanzlerin Angela Merkel
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin

Offener Brief – Umgang der Diözese Speyer mit Missbrauchsvorwurf und Entschädigungsforderung

Sehr geehrte Frau Dr. Merkel,

es ist mir bewusst, dass Sie in der aktuellen Zeit dringende, wichtige Aufgaben wahrzunehmen haben, doch die unsägliche Borniertheit und das offenkundige Desinteresse der für “mein Problem” zuständigen Menschen erschreckt mich. Es ist an der Zeit, nicht allein wegen des an mir begangenen sexuellen Missbrauchs, sondern auch im Namen der vielen weiteren Missbrauchsopfer, deutliche Worte an die katholische Kirche zu richten.

Ich bitte Sie darum, dass Sie diese Institution unmissverständlich auffordern endlich deren moralischer Verpflichtung nachzukommen. Opfer in der Verantwortlichkeit der jeweiligen Diözesen müssen von diesen angemessen entschädigt werden.

An meinem Beispiel zeige ich Ihnen in drastischer Weise auf, in welche Lebenslage jeder Betroffene geraten kann.

Der Missbrauch an mir begann kurz vor der ersten heiligen Kommunion und dauerte etwa 3 bis 4 Jahre.

Es handelte sich hierbei zunächst darum, dass mein Gemeindepfarrer im Rahmen einer von ihm so genannten Beichte mich über seinem erigierten Penis auf seinem Schoss wiegte. Da die Tat, obgleich in bekleideten Zustand durchgeführt, der sexuellen Stimulierung des Priesters diente, handelte es sich hierbei bereits um eine sexuelle Handlung gemäß § 184g Nr. 1 StGB. Bereits das äußere Erscheinungsbild, das Wiegen eines Kindes auf dem Schoß bei erigiertem Penis ist nach allgemeinem Verständnis sexualbezogen. Subjektiv diente es ganz offensichtlich der sexuellen Erregung des Priesters. Der Vorgang ist als solches auch nicht ambivalent, denn es ist keineswegs üblich, die Beichte einem Kind dergestalt abzunehmen.

Meine angeborene hochgradige Innenohrschwerhörigkeit hatte dazu geführt, dass ich bei meiner ersten Beichte die Anweisungen des Gemeindepfarrers nicht verstanden hatte. Anschließend hatte ich nicht genug Vaterunser aufgesagt, wie sich eine Woche später zeigte. Als ich die nächste Beichte ablegen wollte, wurde ich hierfür gerügt und es wurde mir gesagt, dass ich nur Vergebung finden könne, wenn ich dafür Buße tun würde. In diesem Zusammenhang wurde mir aufgetragen, in die Sakristei zu kommen. Dort musste ich mich auf den Schoß des Gemeindepfarrers setzen. Dieser -offenkundig in Latein betend, ich hörte nur eine monotone Rezitation in einer mir unverständlichen Sprache, wippte mich vor und zurück. Da ich dabei etwas Hartes an meinem Po spürte, war ich, der gerne auf dem Schoß meines Großvaters gesessen war, sehr irritiert.

Dies stellte bereits eine Handlung mit einiger Erheblichkeit dar. Die erforderliche Wertung muss sich letztlich an sozialethischen Maßstäben orientieren. In bekleidetem Zustand vorgenommene beischlafähnliche Bewegungen gegenüber einem Kind wurden von der Rechtsprechung durchaus als erheblich anerkannt (BGH 2 StR 359/84).
Die oben beschriebene Handlung fand sodann regelmäßig einmal wöchentlich statt und wurde seitens des Gemeindepfarrers als Bußhandlung dargestellt.
Nach einigen Monaten bot mir dieser eine »besondere Ministrantenstelle« an.

Im Weiteren kam es zunächst noch in der Sakristei und später im Pfarrhaus zu den nachfolgend genannten sexuellen Handlungen (Da es sich bei jeder ersten »neuen« sexuellen Handlung ab Ziffer 4, um eine Art geheime Zeremonie handelte, wurde mir zunächst eine Augenbinde umgelegt; Im weiteren Verlauf erfolgten diese Handlungen dann ohne Augenbinde;):

1. Mehrfaches Wippen auf dem erigierten Penis, wobei ich mich zuvor bis auf die Strümpfe nackt ausziehen und sodann ein Ministrantengewand überstreifen musste
2. Mehrfaches Wippen auf dem erigierten Penis, völlig unbekleidet
3. Kneifen der nackten Brustwarzen
4. Mehrfaches Streicheln meiner nackten Genitalien (beim ersten Mal wurde ich zuvor mit einem Gegenstand auf den nackten Po geschlagen)
5. Mehrfache Manipulation am nackten erigierten Penis des Priesters, indem meine Hand zunächst geführt wurde (hierbei kam es auch zum Samenerguss, teilweise auf meinen Bauch)
6. Mehrfache Manipulation am eigenen nackten Penis bis zur Erektion und bei weiteren Malen auch bis zum Samenerguss
7. Mehrfacher Oralverkehr an mir
8. Mehrfacher Oralverkehr durch mich, teilweise musste ich das Ejakulat schlucken (hierbei wurde anfangs mein Kopf festgehalten, einmal kam es zum Erbrechen)
9. Mehrfacher Analverkehr durch Einführen meines Penis in den After des Priesters
10. Eindringen in meinen After mit dem Finger
11. Vorzeigen pornographischer Schriften (Zeichnungen, die den Analverkehr zwischen Männern darstellten)
12. Gewaltsames anales Eindringen, zunächst mit einem Gegenstand, dann mit zwei Fingern und schließlich mit dem Penis (Dies war für mich äußerst angsteinflößend. Nachdem mir zunächst wie vor jeder neuen Handlung eine Augenbinde angelegt worden war, wurden mir die Arme hinter dem Rücken festgebunden und ich wurde an einen Gegenstand geführt, der sich anfühlte wie ein Tisch. Meine Fußknöchel wurden hieran festgebunden, mein Oberkörper über den Gegenstand gebeugt und ebenfalls festgebunden. Nachdem ich vor Angst uriniert hatte, wurde ich mit einem Gegenstand auf den nackten Po geschlagen, sodass ich vor Schmerz aufschrie. Daraufhin wurde ich zusätzlich geknebelt. Ich bekam eine Art Einlauf und wurde sodann mit zwei Fingern penetriert. Dies war für mich sehr qualvoll. Die anschließende Penetration mit dem Penis des Priesters war für mich dermaßen schmerzhaft und entsetzlich, dass ich Atemnot bekam und in große Panik geriet, da ich Angst hatte zu ersticken. Aufgrund der Penetration kam es zu Blutungen aus meinem After.)

Zur rechtlichen Einordnung des ersten Missbrauchsgeschehens wird auf die o. g. Ausführungen verwiesen. Die Tathandlungen 1.-10. stellen einen sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 StGB a. F. dar, da das Eindringen in den Körper erst seit 1998 als schwerer sexueller Missbrauch eigenständig strafbar ist.

Sofern Handlungen nach dem 14. Lebensjahr stattgefunden haben sollten, leider kann ich mich nicht an mein genaues Alter bei Ende der Missbrauchshandlungen erinnern, handelt es sich um einen sexuellen Missbrauch von Jugendlichen. Durch den vorangegangenen sexuellen Missbrauch und die ständige Betonung, dass ich als damals sehr gläubiges Kind einen Dienst an Gott erfüllen müsse und entsprechend bei Unbotmäßigkeit keinerlei Vergebung erwarten könne, wurde hier eine Zwangslage geschaffen, sodass § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt ist. Darüber hinaus wurde die fehlende Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung ausgenutzt, sodass auch die Tatbestandsalternative Abs. 2 Nr. 1 gegeben ist. Ich hatte keinerlei sexuelle Erfahrung jenseits der bisher erlebten Missbrauchshandlungen und dies war dem Gemeindepfarrer auch bewusst. Ihm war, auch durch vergangene erfolgreiche Manipulationsversuche, durchaus klar, dass er mich mit seiner Macht, mich als sündig darzustellen und gleichzeitig die Verweigerung einer Vergebung und Strafe Gottes anzudrohen vollkommen in der Hand hatte.
Das unter Ziffer 11. Beschriebene ist als sexueller Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 5 Nr. 3 a. F. einzuordnen; sofern man die Absicht einer sexuellen Erregung hier nicht annehmen will, jedenfalls aber als Verbreitung pornographischer Schriften gemäß § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu werten.

Das unter Ziffer 12. Beschriebene stellt eine mehrfache tateinheitlich begangene Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 3 Nr. 1, 2. Alternative a. F. dar.

Zum Randgeschehen ist festzuhalten, dass sich die sexuellen Handlungen stetig steigerten. Neue Handlungen wurden mir gleichsam als besondere Prüfung wegen aufgeladener Schuld (z. B. Fernbleiben aufgrund Krankheit oder Urlaub) dargestellt. Immer wurden diese verbrämt als Initiierung auf einem Weg, den Gott für mich ausgesucht habe. Aufkeimender Widerstand wurde sofort geahndet als schwere Verfehlung gegen Gott und den für mich bestimmten besonderen Weg.

Ich war seinerzeit nicht in der Lage, mich meinen Eltern anzuvertrauen, andere Vertrauenspersonen gab es nicht. Aufgrund meiner starken Hörbehinderung, die seit Geburt bei mir vorlag, war ich auch unter Gleichaltrigen eher ein Außenseiter und hatte keine Freunde. Meine Mutter war sehr fromm und bestand darauf, dass ich zur Beichte ging, auch nachdem ich zaghaft versuchte, hierfür Ausreden zu finden. Die Autorität des Gemeindepfarrers verhinderte überdies, auch nachdem die Übergriffe schwerer wurden, diesem etwas Unbotmäßiges zu unterstellen. Darüber hinaus rief das Geschehene bei mir große Scham- und Schuldgefühle hervor.

Zu den Folgen: Trotz meiner hochgradigen Schwerhörigkeit kam ich in der Grundschule und zunächst in der Hauptschule gut zurecht. Mit fortschreitendem Missbrauchsgeschehen entwickelte ich jedoch eine Konzentrations- und Angststörung, hatte nächtliche Alpträume und fiel in meinen schulischen Leistungen erheblich ab.

Erst nach der Vergewaltigung fand ich den Mut, nicht mehr den Anweisungen des Priesters zu folgen und von diesem fern zu bleiben. Daher ging ich auch nicht mehr zum sonntäglichen Gottesdienst, wie meine Mutter dies wollte, sondern schaute stattdessen einer Runde Jungen beim Kartenspiel im Pfarrheim zu. In dieser Kartenrunde, welche sich wenig später räumlich gesehen in eine nahegelegene Kneipe verlagerte, in der um Geld gespielt und Alkohol konsumiert wurde, konnte ich schließlich mit aufgenommen werden. Ich entwickelte eine Sucht nach beidem, denn dies ermöglichte mir die maximale Ablenkung von den traumatischen Erinnerungen und den in diesem Zusammenhang entwickelten Ängsten.

Mit dem Einstieg ins Berufsleben verstärkte sich der Alkoholkonsum. Gleichzeitig arbeitete ich extrem viel, denn auch das ermöglichte eine Abschaltung meines »Dämons«, wie ich die Erinnerung an die schrecklichen Geschehnisse benannt habe. Als ich in alkoholisiertem Zustand in meinem Heimatort von einer Polizeistreife gestoppt werden sollte, glaubte ich auf dem Beifahrersitz des Polizeifahrzeugs den Gemeindepfarrer zu erkennen, verlor daraufhin völlig die Kontrolle über mich und flüchtete. Aufgrund dieses Vorfalls verurteilte man mich zu einer Geldstrafe und längerem Fahrverbot. Der Führerschein wurde mir entzogen. Ich arbeitete exzessiv als Organisationsprogrammierer oft zwischen 12 und 14 Stunden am Tag. An den Wochenenden betrank ich mich nach wie vor. Arbeitsplätze verließ ich wegen Lappalien, entspannende, kreative Freizeit oder Urlaub konnte ich mir psychisch nicht leisten, ohne dass Erinnerungen hochkamen.

Mein Leben bestand fast ausschließlich daraus, über Arbeit, Alkohol und Spiel zu verdrängen oder dies zumindest zu versuchen. Immer wenn ich weder beschäftigt noch betrunken war, erlitt ich schwere Flashbacks. Aufgrund des exzessiven Alkoholkonsums kam es zu Schlafstörungen, die ich mit Schlafmitteln bekämpfte. Meine Alkoholsucht konnte ich seit Anfang meiner Arbeitsunfähigkeit ablegen. Ich leide dennoch weiterhin an den massiven Schlafstörungen und kann nur durch die Hilfe eines verschreibungspflichtigen Medikaments zu einer halbwegs annehmbarer Nachtruhe gelangen.

Erst im Alter von 28 Jahren konnte ich eine Beziehung (zu meiner jetzigen Frau) eingehen. Je mehr ich es schaffte, Ordnung in mein bisheriges Leben zu bringen und je weniger meine Arbeit mich forderte, je heftiger kamen die Erinnerungen und damit erneut deren Bekämpfung mit Alkohol zurück. Da ich auch meiner Frau nichts über den Missbrauch in meiner Kindheit berichtet hatte, belastete mein Alkoholkonsum die Ehe sehr und es kam sogar zu einer vorübergehenden Trennung.

Der extreme Alkoholkonsum verursachte überdies eine Schädigung meiner Bauchspeicheldrüse, führte schließlich zu einer (insulinpflichtigen) Diabetes Typ II Erkrankung und einer diabetischen Polyneuropathie. Wegen dieser Erkrankung bin ich seit dem 14.03.2006 arbeitsunfähig und muss regelmäßig hochdosierte Schmerzmittel einnehmen.

Typische Folgeerscheinungen traumatischer Erfahrungen durch sexuellen Missbrauch sind vor allem bei Jungen, unter anderem sozialer Rückzug, eigen- oder fremdaggressives Verhalten und Suchtmittelmissbrauch. Über das Geschehene zu sprechen ist für viele Opfer unmöglich, da ‚Gefühle von Scham, Schuld und Ohnmacht dominieren, die ihrerseits kaum auszuhalten sind. Das Leben wird darauf ausgerichtet, Mechanismen der Verdrängung zu suchen und anzuwenden. In meinem Fall war dies das Suchtmittel Alkohol und Spiel, sowie Arbeit. Wie bereits geschildert, war mir ein normales Leben nicht möglich, denn mit der Normalität kam immer auch mein »Dämon« zurück.

Zur kirchlichen Verantwortung ist so viel zu sagen, dass Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts und deren Beamte unter § 839 BGB fallen. Die Körperschaft haftet daher bei Pflichtverletzungen eines Amtsträgers. Unerlaubte Handlungen, ausgeübt im Rahmen des Amtes stellen stets eine Amtspflichtverletzung dar. Dass hier eine vornehmlich sakramentale Handlung als Vorwand genutzt wurde, um ein Kind langsam für weitere sexuelle Handlungen gefügig zu machen, ist besonders verwerflich. Dies zeigt eindeutig die Verantwortung der Kirche für das Handeln des Gemeindepfarrers. Diesem wäre es ohne sein Priesteramt nicht möglich gewesen, den jahrelangen sexuellen Missbrauch an mir zu verüben. Dieser konnte lediglich beginnen, weil ich die Beichte abgenommen haben wollte und sich der Priester meine damalige Gottesfurcht zu meiner Gefügigmachung zunutze machte. Aufgrund der Würde und Autorität seines Amtes konnte dieser sicher sein, dass seinen Anordnungen Folge geleistet würde. Dieser war sich auch gewiss, dass die Ungeheuerlichkeit seines Handelns verborgen bleiben würde.

Wenngleich eine Verfolgungsverjährung vorliegt und gegen die Geltendmachung einer Schmerzensgeldforderung die Einrede der Verjährung geltend gemacht werden kann, bin ich davon ausgegangen, dass die Kirche bereit ist, Verantwortung zu tragen. Wenn ein Priester im Zuge seiner Amtsausübung ein Kind sexuell missbraucht, am Ende sogar vergewaltigt und hierdurch für den Rest seines Lebens schwer geschädigt hat, muss die Institution Kirche haften, ob dies nach geltender Rechtsprechung »verjährt« ist oder nicht.

Meine Überlegungen zu dem »geforderten« Schmerzensgeld gründen darauf, dass mir durch den sexuellen Missbrauch die Möglichkeit eines normalen Lebens genommen wurde. Wie einem zu Unrecht Inhaftierten (§ 7 Abs. 23 StrEG) steht mir hierfür eine Entschädigung zu. Mein Gefängnis war keine Haftanstalt mit Mauern aus Stein, vielmehr trug ich dieses immer mit mir herum. Versuche dem zu entkommen, führten zu meiner schweren Erkrankung. Der errechnete minimalste Gesamtentschädigungsbetrag von 356.000,– € resultiert aus der Multiplikation der (mindestens) 40 vergangenen Jahre seit Beginn meines Martyriums mit dem Tagesentschädigungssatz nach StrEG in Höhe von 25,– €.

Der errechnete Betrag enthält weder die Kosten für die derzeit bereits entstehenden Zuzahlungen für Medikamente, Therapien und Ähnlichem, noch für die künftig zu erwartenden krankheitsbedingten Zusatzkosten für die irreversiblen Schädigungen meiner Gesundheit. Die prognostische Beurteilung des künftigen Verlaufs meiner Erkrankungen deutet (nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung) mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine weitere negative Entwicklung hin. Im schlimmsten Fall sind (Teil-) Lähmungen, Erblindung, Nierenversagen, sonstige Organschäden und Ähnliches zu befürchten. Wenn man diese weiteren Eventualitäten mit abdecken wollte, käme Idealerweise die zusätzliche Zahlung einer monatlichen Rente in Betracht.

Soweit nun die Schilderung des an mir begangenen Missbrauchs und seiner erheblichen negativen Folgen für meinen bisherigen Lebensverlauf.

Ich habe diese Fakten der zuständigen Diözese Speyer zunächst Anfang Februar diesen Jahres schriftlich vorgetragen. Daraufhin machte die Diözese den Vorschlag einer persönlichen Besprechung mit einem kirchlichen Missbrauchsbeauftragten in den Räumen des Bistums Speyer, den ich verständlicherweise zurückgewiesen habe. Aus naheliegenden Gründen möchte ich über einen Schriftwechsel hinaus keinesfalls in irgendeiner Weise mit Kirchenvertretern in Kontakt treten.
Das Bistum Speyer gab keine Stellungnahme zu meinen Vorwürfen oder der Schmerzensgeldforderung ab und hat dies im Übrigen bis heute nicht getan. Ich war deshalb gezwungen, eine Rechtsanwältin mit der Durchsetzung meiner Ansprüche zu beauftragen, obwohl ich mir diese finanziell nicht leisten kann. Ein anwaltliches Schreiben von Mitte April 2010 blieb ohne substanziierte Rückantwort des Bistums. Ein eindringliches Erinnerungsschreiben meiner Anwältin von Anfang Mai 2010 blieb bisher unbeantwortet. Daraufhin habe ich das Bistum informiert, dass ich mich in einem offenen Brief an Sie wenden werde, um diese unsägliche Verhaltensweise für jedermann offenzulegen.

Auch dies hat die Institution Kirche in keiner Weise berührt. Die Einrichtung einer Ombudsmannstelle ließe den Schluss zu, dass das Bistum Speyer sich dieser Verantwortung stellen will. Allerdings handelt es sich bei der Person, die diese neugeschaffene Stelle nun innehat um einen Rechtsanwalt, der üblicherweise als Strafverteidiger auftritt. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass zumindest das Bistum Speyer nicht an den Opfern oder deren weiterem Schicksal interessiert ist. Dort werden offenbar nur Überlegungen angestellt, wie dieses die berechtigten Forderungen von Opfern zurückweisen und die in ihren Reihen befindliche Täterschaft schützen kann.

Ein derartiges Verhalten einer Institution mit einem solch hohen moralischen Anspruch an sich selbst, wie ihn die katholische Kirche in der Öffentlichkeit gerne plakativ zur Schau stellt, ist unerträglich und inakzeptabel.

Der Bischöfliche Beauftragte für Missbrauchsfälle, Herr Bischof Ackermann vom Bistum Trier wurde ebenfalls informiert und hat sich bis jetzt in keiner Weise dazu geäußert. Ich bin über dessen öffentliche Auftritte, sei es bei der Talkshow Beckmann oder bei Podiumsdiskussionen, wie beispielsweise dem ökonomischen Kirchentag, entsetzt. Herr Bischof Ackermann wird der ihm übertragenen Aufgabe in keiner Weise gerecht, besticht durch Inkompetenz und verlegenes Geplapper, spätestens, wenn es um die Belange von Opfern geht.

Sich einerseits nicht um rechtliche Schranken zu kümmern, die der Gesetzgeber erlassen hat (=bisheriger Umgang mit Tätern) und sich andererseits dahinter zu verbergen suchend (=Verjährung bei Entschädigungsforderungen von Opfern) zeugt von einer Art Realitätsverlust gepaart mit absoluter Gefühlskälte. Viele Opfer fallen früher oder später aufgrund der Tatfolgen in irgendeiner Weise dem Sozialsystem zur »Last«, sei es durch medizinische, ärztliche oder soziologisch bedingte Versorgungsleistungen des Staates und der Medizinsysteme. Dies ist eine Ungerechtigkeit gegenüber den nicht der katholischen Glaubensgemeinschaft angehörigen Bürgern, denn diese sollten nicht für die Tatfolgen von katholischen Geistlichen aufkommen müssen.

Durch meine Umschau nach einer Hilfsorganisation, welche sich für Opferbelange einsetzt, bin ich auf »netzwerkB e.V.« aufmerksam geworden. Der Sprecher des noch jungen Vereins, Herr Norbert Denef, wurde selbst als Kind und Jugendlicher sexuell missbraucht und kann sich deshalb gut in die Sorgen und Nöte der Opfer hineinversetzen. Herr Denef scheut sich nicht vor publikumswirksamen Einsätzen, um gegen das Vergessen und Stillschweigen anzukämpfen und ist überall zu finden, wo dieses Thema derzeit in irgendeiner Form besprochen wird. Da ich dieses Vorgehen sehr schätze, werde ich durch meinen Beitritt und meine aktive Mitarbeit, im Rahmen meiner Möglichkeiten, die Arbeit dieses Vereins künftig ehrenamtlich mit unterstützen.

Ich hoffe sehr darauf, dass Sie Frau Dr. Merkel, den Mut und die Kraft haben, der katholischen Kirche mit Entschlossenheit entgegenzutreten und diese zu einem fairen Umgang mit den berechtigten Forderungen von allen Opfern zu bewegen.

Mit freundlichen Grüßen