23.06.2010 16:08, Deutsche Kinderhilfe e.V.

Der heute bekannt gewordene Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der eine Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vorsieht, stößt auf deutliche Kritik und Unverständnis bei der Deutschen Kinderhilfe. Populäre Fälle wie der des einschlägig vorbestraften Karl D. in Heinsberg oder der des erst gestern aufgrund einer Entscheidung des LG Münster freizulassenden gefährlichen Sexualstraftäters haben die Lücken der Regelung über die Sicherungsverwahrung deutlich gezeigt.

Immer wieder müssen Straftäter, denen von mehreren unabhängigen Gutachtern eine erhebliche Rückfallgefahr attestiert wird, auf freien Fuß gesetzt werden, weil es seinerzeit verabsäumt wurde, die Sicherungsverwahrung im Urteil anzuordnen. Daher wurde das Instrument der nachträglichen Sicherungsverwahrung – bestätigt vom Bundesverfassungsgericht – eingeführt.

Die Deutsche Kinderhilfe forderte aufgrund der Lücken bei dieser Regelung eine Reform der Sicherungsverwahrung mit dem Ziel, im Sinne des Opferschutzes auf die objektive Gefährlichkeit des Täters abzustellen. Im Koalitionsvertrag wurde eine Reform der Sicherungsverwahrung in Aussicht gestellt. Nun hat sich die Regierung jedoch nicht für eine Reform, sondern für die generelle Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung entschieden. Dies hat zur Konsequenz, dass ca. 70 bis 100 hoch gefährliche Risikotäter auf freien Fuß kommen. Diese müssten nach dem Heinsberger Modell 24 Stunden am Tag überwacht werden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass sie weitere Straftaten begehen. Die elektronische Fußfessel ist ein Instrument der Führungsaufsicht, aber nicht dazu geeignet, Leib und Leben eines Opfers zu schützen. Problematisch ist zudem, dass Pädokriminelle häufig ein Vertrauensverhältnis aufbauen und ihre Opfer an „unverfänglichen“ Orten missbrauchen.

Der EuGH hat zu Recht die seinerzeitig rückwirkend beschlossene Verlängerung der Sicherungsverwahrung von 10 Jahren auf unbegrenzt aufgehoben, da darin ein Verstoß gegen das sog. Rückwirkungsverbot gesehen wurde. Die derzeitig geltende Regelung wurde vom EuGH nicht beanstandet. Anlässlich des Urteils hat der EuGH ferner moniert, dass die Sicherungsverwahrung nicht wie im Gesetz angegeben, eine Maßnahme zur Sicherung und Besserung ist, sondern eine Verlängerung der Haftstrafe. In der Tat sitzen die meisten Sicherungsverwahrten in speziellen Trakten der Justizvollzugsanstalten. Insofern könnte eine Überprüfung der geltenden Rechtslage zu Problemen führen.

Ein Reformansatz, um die geltende Rechtslage „europarechtssicher“ zu machen wäre der Umbau der Sicherungsverwahrung hin zu einer solchen, die den Namen verdient. Nach holländischem Vorbild gehören Sicherungsverwahrte in sog. „longstay – Einrichtungen“ mit therapeutischer Betreuung. Eine solche Reform wäre aber kostenintensiv und setzt den Aufbau entsprechender Einrichtungen voraus. Dazu fehlen der Mut und der Wille.

„Die heute beschlossene Abschaffung verschärft die ohnehin schon bestehende lückenhafte Sicherheitssituation insbesondere vor Wiederholungstätern. Es ist zu hoffen, dass die Bundesländer hier ihr Veto einlegen und endlich eine europarechtskonforme und die Belange der potentiellen Opfer berücksichtigende Regelung verabschiedet wird. Der vermeintlich juristisch einfachste Weg der Abschaffung mag rechtspolitisch gewollt sein. Unter dem Aspekt der inneren Sicherheit und dem Schutz von Kindern vor Wiederholungstätern ist diese Entscheidung fatal“, so Rechtsanwalt Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe.

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