netzwerkB 14.10.2010

Knapp ein Jahr nach dem Kinostart des Dokumentarfilms „Wenn einer von uns stirbt, geh’ ich nach Paris“ über sexualisierte Gewalt in Familie und Kirche wird der aufwühlende Film von Jan Schmitt in Österreich gezeigt. Kremsmünster hat den Anfang gemacht, es folgen Villach in Kärnten (25.-28.11), Klagenfurt, Linz, Region Salzburg, Wien und St.Pölten (6.12.). Im kommenden Jahr 2011 wird die Dokumentation dann im Rahmen der FrauenFilmTage in Wien vorgeführt, zu denen Jan Schmitt eingeladen ist. In der katholischen Klosterstadt Kremsmünster war der Film am 8.9. zu sehen, der von Mitgliedern des Klosters und anderen Bürgern sehr sensibel diskutiert wurde. „Mithilfe des Films“, erzählt Siegfried Kristöfl vom Kulturverein „Ausserdem“,  „gelang uns ein tiefer Blick in die Seele eines Opfers und auf die lebenslange Verwerfung, die ein Mensch durch einen Missbrauch in der Kindheit erfährt.“ Die Vorführungen im Nachbarland sind maßgeblich durch den Wiener Verein „ProFrau – Plattform für Frauenrechte“ möglich geworden. In Österreich, das hat der erste Filmabend in Kremsmünster deutlich gemacht, hinkt die öffentliche Wahrnehmung des Themas sexuelle Gewalt der Realität hinterher.

In Deutschland wird der Film „Wenn einer von uns stirbt, geh’ ich nach Paris“ vereinzelt noch bis Dezember in Kinos in Heidelberg, Hembsbach an der Bergstraße, Stuttgart und Regensburg zu sehen sein. Regisseur Jan Schmitt, der die Vorführungen begleitet, trägt damit weiter zur wichtigen gesellschaftlichen Diskussion über sexuellen Missbrauch in Kirche und Familie bei. Gerade in katholisch geprägten Gegenden wie Regensburg sei eine öffentliche Auseinandersetzung überfällig, meint der 42-jährige Filmemacher. Der Bischof von Regensburg habe durch sein arrogantes und überhebliches Auftreten mehrfach eine Diskussion zu verhindern versucht. Journalisten, die über sexuelle Gewalt im Bistumbereich berichtet hatten, sollten durch die Androhung einer Unterlassungsklage zum Schweigen gebracht werden. „Dem Bischof muss mal gewaltig vor’s Schienbein getreten werden“, meint Jan Schmitt, der seinen sehr persönlichen Dokumentarfilm am 9.Dezember 2010 im Kommunalen Kino Regensburg vorstellt. Der Film habe die Kraft über das Thema des Jahres 2010 ganz anders nachzudenken, so der Regisseur.

Bislang drückt sich die Gesellschaft und allen voran die Politik vor der Auseinandersetzung mit den wirklichen Folgen sexualisierter Gewalt für die Betroffenen. „Eine Schlußstrich-Debatte, wie es die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung und die Katholische Kirche insgeheim anstreben, darf es nicht geben“, sagt Jan Schmitt im Gespräch. Mit der Kampagne „Wer das Schweigen bricht, bricht die Macht der Täter“ von Christine Bergmann werde versucht, schnellstmöglich Opferzahlen zu ermitteln, damit es zügig eine Entschädigung geben kann und das Thema vom Tisch sei. „Wer dieser Logik nach das Schweigen nicht bricht“, so der Filmemacher, „stärkt die Täter und macht damit die schweigenden Opfer, die wegen der Genialtität des Verbrechens nicht reden können, zu Mittätern.“ Die beiden Werbespots von Wim Wenders seien Augenwischerei. Niemand frage danach, warum so viele Opfer schweigen, die reden könnten. „Sie schweigen, weil die Gesellschaft sie sonst ausgrenzt, verurteilt, verachtet und kaltstellt. Das gleiche erlebe ich mit meinem Film, gesellschaftlich und familiär. Denn sexuelle Gewalt in Familie und Kirche ist nach wie vor ein harter Brocken, er stellt die Grundfesten unserer Gesellschaft in Frage.“