Vor 9 Jahren erfuhren wir, dass unsere Tochter als ca. fünfjährige von ihrem Onkel, zu dem wir keinen regelmäßigen Kontakt pflegten, sexuell missbraucht wurde. Es ist kaum in Worte zu fassen, welche emotionalen Höllen man in dieser Zeit als Elternteil durchlebt. Wir haben alles getan, um unser Kind vor Übergriffen zu schützen – glaubten wir.

An einen derartigen Vorfall innerhalb der Familie haben wir nie gedacht. Demzufolge haben wir uns auch die eindeutigen Anzeichen wie drastischen Leistungsabfall in der Schule, selbst zugefügte Verletzungen durch Ritzen, Schneiden, Verbrennen etc. nicht erklären können. Dafür machen wir uns nach wie vor größte Selbstvorwürfe.

Im Nachhinein und nachdem wir uns mit dem Thema auseinander setzten ist es unbegreiflich, dass wir hier nicht früher klar sahen. Natürlich haben wir immer wieder versucht, den Grund hierfür zu erfahren. Inzwischen war unsere Tochter 15, weigerte sich über ihre Beweggründe zu sprechen oder gar einen Arzt zu konsultieren. Heute wissen wir, dass sie Ihren Vater, den Bruder des Täters, schützen wollte.

Inzwischen lebten wir seit 5 Jahren in unmittelbarer Nähe ihres Peinigers, der keine Gelegenheit ausliess, ihr zu drohen, sie zu bedrängen und unter Druck zu setzen. Die Gewissheit, wie sehr unser Kind in dieser Zeit leiden musste, ist heute noch unerträglich. Einem Zufall ist es zu verdanken, dass die Sache doch ans Licht kam. Was folgte waren Therapien, Klinikaufenthalte etc. bei denen eins immer klar zum Ausdruck kam: Nach all den Jahren ist nichts mehr nachweisbar, dem Kind sollte keine Gerichtsverhandlung zugemutet werden. Im Klartext: Mit sowas muss man fertig werden und das Leben geht weiter.

Natürlich geht das Leben weiter.

Die Aufarbeitung der Vorfälle hat eine schulische Ausbildung und die Berufsausbildung stark verzögert. Das Leben unserer Tochter ist von Ängsten und Alpträumen geprägt. Inzwischen ist sie 24 Jahre alt, fürchtet sich immer noch in dunklen Räumen, ist aufgrund ihrer Ängste nicht in der Lage eine Wohnung allein zu bewohnen. Zwischenmenschliche Beziehungen und Partnerschaften gestalten sich schwierig. Wir leben anonym in einer anderen Stadt, mussten hierzu einen Antrag an die Gemeinde richten.

Wir als Eltern geben uns eine große Mitschuld mit der ebenfalls nur schwer zu leben ist. Wir fragen uns immer wieder, ob unsere Erziehung dazu geführt hat, dass unsere Tochter es nicht wagte, sich zu öffnen oder ob der Druck durch diesen Mann einfach zu groß war. Wir können nur an alle Menschen appellieren, genau hinzusehen und lieber zu früh als zu spät zu reagieren. Denn eins ist sicher, die Folgen eines sexuellen Missbrauchs sind sehr vielfältig und nicht aus der Welt zu therapieren und verfolgen die Betroffenen lebenslänglich. Eine Tatsache, die von der Öffentlichkeit und der Politik oft sehr gern klein geredet wird.

Wir sind der Überzeugung, dass härtere Strafen für die Täter mehr Wirkung zeigen würden als endlose Therapien und Ursachenforschung. Es ist für die Opfer ein Schlag ins Gesicht, solche Taten mit “Krankheit”, “schlimmer Kindheit” etc. zu rechtfertigen.

Im Umkehrfall würden wir für eine drastische Sanktionsmassnahme auch nicht freigesprochen oder therapiert.