SCHWÄBISCHE POST 25.10.2010

Kontroverse Podiumsdiskussion im Kino am Kocher zum Thema sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche
Ein brisantes Thema hat sich das Theater der Stadt Aalen für seine Podiumsdiskussion im Kino am Kocher herausgepickt: Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Geistliche der katholischen Kirche. Zur Sensibilisierung gab es vorab Amy Bergs Dokumentarfilm „Erlöse uns von dem Bösen“. Die zu erwartende emotionale Debatte folgte.

HEIKO BUCZINSKI

Aalen. In „Erlöse uns von dem Bösen“ thematisiert Amy Berg auf eindrückliche Art die Geschichte von Kindern, die vom katholischen Pater Oliver O’Grady, einem Priester in Nordkalifornien, sexuell missbraucht wurden. Jahrzehntelang erschlich sich dieser das Vertrauen von Familien seiner jeweiligen Gemeinde und missbrauchte dann deren Kinder. Die Kirchenleitung wusste von den Vorgängen, ließ O’Grady aber gewähren. Erst als die Missbrauchsfälle nicht mehr zu vertuschen waren, wurde der Geistliche seines Amtes enthoben.
Bergs Dokumentation zeigt nicht nur die Opfer und ihre Familien und bietet ihnen ein Forum, sondern beschäftigt sich auch ausführlich mit Pater O’Grady selbst und lässt ihn zu Wort kommen. Die Intensität des Films macht ihn dabei nur sehr schwer verdaulich.
So verwundert es auch nicht, dass die an den Film anschließende Podiumsdiskussion einen emotionsgeschwängerten Verlauf nimmt. Unter der Moderation von Theaterdramaturg Johannes Frohnsdorf diskutieren Norbert Denef, Vorsitzender des Netzwerks Betroffener von sexualisierter Gewalt und selbst Opfer sexuellen Missbrauchs durch einen Priester, Dr. Norbert Reuhs, Diözesanrichter der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Dr. Christoph Funk, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und Mitglied der „Kommission sexueller Missbrauch“ der Diözese Rottenburg-Stuttgart sowie Rudolf Salenbauch, Diplom-Psychologe und tätig in der Ökumenischen Psychologischen Beratungsstelle Aalen.
„Das Problem war, dass die Bischöfe in der Verantwortung waren“, analysiert Norbert Reuhs den im Film beschriebenen Fall. Dies sei seit 2001 nun nicht mehr so. Jetzt müssten solche Fälle immer direkt nach Rom gemeldet werden. „Zustände wie im Film dürfte es eigentlich nicht mehr geben“, sagt er.
„Der Film hat das Leid der Opfer sehr gut zum Ausdruck gebracht“, sagt Christoph Funk. Es ende eben nicht bei den Missbrauchten, „die ganze Familie leidet“, sagt er. Norbert Denef vergleicht den Film mit seiner eigenen Situation: „Ich habe 35 Jahre lang geschwiegen.“ Den heutigen Papst habe er um Hilfe gebeten. Der damalige Kardinal Ratzinger habe in einem Brief geantwortet, dass er Denef in seine Gebete einschließen werde. „Daraufhin wollte ich mir das Leben nehmen“, sagt Denef. Norbert Reuhs erläutert die Aufklärungsarbeit bei Verdachtsfällen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart und beschreibt die Schwierigkeiten: „Es gibt immer wieder Verdachtsfälle, aber keine Opfer, die sich melden.“ So gebe es offiziell auch keinen Täter.
Schwierig sei auch der Umgang mit Tätern analysiert Rudolf Salenbauch: „Die Täterberatung ist sehr tabuisiert.“
Denef sieht die Kirche in der Pflicht. Sie müsse sich endlich für die Öffnung aller Akten und die, auch rückwirkende, Aufhebung von Verjährungsfristen bei Missbrauchsfällen einsetzen, fordert er. Seine und die im Film geschilderte Geschichte seien letztlich nur zwei von vielen.

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Folgendes Zitat ist falsch:

Norbert Denef vergleicht den Film mit seiner eigenen Situation: „Ich habe 35 Jahre lang geschwiegen.“ Den heutigen Papst habe er um Hilfe gebeten. Der damalige Kardinal Ratzinger habe in einem Brief geantwortet, dass er Denef in seine Gebete einschließen werde. „Daraufhin wollte ich mir das Leben nehmen“, sagt Denef.

Richtig ist:

Norbert Denef vergleicht den Film mit seiner eigenen Situation: „Ich habe 35 Jahre lang geschwiegen.“ Den vergangenen Papst Johannes Paul II habe er um Hilfe gebeten, nach dem der Bischof von Magdeburg, Dr Feige, ihn im November 2003 mit 25.000,- Euro zum Schweigen zwingen wollte. Das Staatssekretariat ERSTE SEKTION ALLGEMEINE ANGELEGENHEITEN, unter der Leitung vom damaligen Kardinal Ratzinger, habe in einem Brief geantwortet, dass Papst Johannes Paul II für ihn bete und ihn ermutige, den Allmächtigen Gott um die Kraft der Vergebung zu bitten. „Daraufhin habe ich versucht mir das Leben zu nehmen“, sagt Denef.

Ich habe die SCHWÄBISCHE POST am 26.10.2010 um Richtigstellung gebeten.

Norbert Denef