Pressemitteilung von netzwerkB am 10.07.2011

Nach einer Veröffentlichung in SPIEGEL online vom 9. Juli 2011 [http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,773423,00.html] beschloß die Deutsche Bischofskonferenz der römisch-katholischen Kirche am 20. Juni 2011, dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) Zugriff auf sämtliche Personalakten der vergangenen zehn Jahre zu gewähren. Die Untersuchung sei in Europa beispiellos.

Beim KFN [http://www.kfn.de/home.htm] handelt es sich um ein unabhängiges, interdisziplinär arbeitendes Forschungsinstitut in Trägerschaft eines gemeinnützigen Vereins, bei dem auch pensionierte Staatsanwälte und Richter mitwirken.

Zu den Grundforderungen von netzwerkB zählt die Offenlegung der Akten. Pädokriminelle Täter sind häufig Serientäter. Die meisten Opfer fanden und finden kein Gehör und keine Hilfe. Den Akten von Institutionen, in deren Bereich Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Schutzbefohlenen stattfinden kann, kommt eine zentrale-Rolle bei der Aufklärung der Straftaten und bei der Anerkennung und Unterstützung der Opfer zu. Die römisch-katholische Kirche darf hier nicht länger außerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen.

Die vorliegende Meldung legt nach Auffassung von netzwerkB viele Unklarheiten auf: Warum geht die Bischofskonferenz nicht selbst an die Öffentlichkeit, um die Details dieser Aktion darzustellen und sich einer Kritik zu stellen? Warum gewähren zwei Drittel der insgesamt 27 Bistümer in der Bundesrepublik nur einen Zugriff auf die Personalakten der vergangenen zehn Jahre? Bleiben die persönlichen Aktenarchive der Bischöfe unter Verschluss? Bleiben die Akten der Sammelstelle des Vatikans weiter unter Verschluss? Wo bleibt die Einsichtsmöglichkeit für Betroffene?

Bislang hat die römisch-katholische Kirche in Deutschland Straftaten in einem beispiellosen Umfang verschleiert. Im Erzbistum München und Freising wurden laut der unabhängigen Untersuchung der Gutachterin und Rechtsanwältin Marion Westpfahl über den Zeitraum 1945 bis 2009 „Missbrauchsfälle über Jahrzehnte hinweg verschwiegen und systematisch vernichtet“, so die ZEIT am 3. Dezember 2010 [http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-12/missbrauch-kirche-vertuschung].

netzwerkB hält einen personellen Austausch der Verantwortlichen in den Bistümern für unabdingbar, um eine ehrliche Aufklärung zu ermöglichen. NetzwerkB fordert unter anderem die Ablösung des Bischofs des Erzbistums Freiburg, Dr. Robert Zollitsch, siehe Presseerklärung vom 7. Juni 2011 [http://netzwerkb.org/2011/06/07/pressemitteilung-netzwerkb-fordert-die-ablosung-von-bischof-zollitsch/].

Auch der Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ der Bundesregierung bleibt eine reine Interessenvertretung der Organisationen und Berufsverbände, in deren Bereich es zu Pädokriminalität kommt. Zu einer Aufklärung und Sicherstellung einer Anerkennung und Hilfe für die Opfer zählen die Aufhebung der zivilrechtlichen und strafrechtlichen Fristen bei schweren Gewalttaten und eine Untersuchungen durch wirklich unabhängige Stellen.


netzwerkB.org (Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt) ist eine unabhängige Interessenvertretung. Wir setzen uns für die Rechte Betroffener ein, indem wir das gesellschaftliche Schweigen brechen, über Ursachen und Auswirkungen sexualisierter Misshandlung informieren, beraten und uns für konkrete Veränderungen stark machen.

netzwerkB bittet darum an Betroffene die netzwerkB-Kontaktdaten weiterzugeben sowie die Kontakt-Email (info@netzwerkb.org) und Website (www.netzwerkB.org) zu veröffentlichen.

Für Journalisten-Rückfragen:
netzwerkB – Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.
Nobert Denef, Vorsitzender
Telefon: +49 (0)4503 892782
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