netzwerkB 23.11.2011

Betroffene sexualisierter Gewalt wollen deutschen Staat verklagen

Zahlreiche Betroffene von sexualisierter Gewalt in verschiedensten Institutionen wie z.B. der Kirche, in Heimen, in Schulen oder in der Familie fühlen sich vom deutschen Staat bei der Aufarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse sowie bei der Durchsetzung ihrer Entschädigungsansprüche allein und im Stich gelassen.

Entschädigungsansprüche, etwa nach dem Opferentschädigungsgesetz oder Schmerzensgeldansprüche gegenüber dem Täter, existieren durchaus. Allerdings führt der Versuch, diese Ansprüche durchzusetzen, allzu oft zu erneuten traumatischen Erlebnissen der Betroffenen.

Diese müssen häufig feststellen, dass die Taten zu lange zurückliegen und nicht mehr verfolgt werden können, da die Täter durch die geltenden Verjährungsfristen im deutschen Straf- und Zivilrecht geschützt werden.

Das heißt, die Täter gehen oftmals straflos, die Betroffenen entschädigungslos aus.

Nicht selten können sich Betroffene erst nach Jahren oder gar Jahrzehnten dazu überwinden, die Täter anzuzeigen oder sich anderen Personen hinsichtlich der schrecklichen Geschehnisse anzuvertrauen.

Die deliktischen Verjährungsfristen im Zivilrecht zur Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen betragen derzeit 30 Jahre, im Strafrecht allenfalls – und dies auch nur in „besonders schweren Fällen“ – 20 Jahre. Nach Ablauf dieser Fristen seit der Tatbegehung können die Täter nicht mehr verfolgt und verurteilt werden. Sie werden also häufig für ihre Taten nicht zur Rechenschaft gezogen, während die Betroffenen ein ganzes Leben lang erheblich unter diesen Taten leiden.

Dem deutschen Gesetzgeber ist diese in höchstem Maße inakzeptable Situation bekannt.

Dennoch sehen auch die neuesten Gesetzesentwürfe eine Aufhebung der Verjährungsfristen nicht vor. Im Zivilrecht wird eine Verlängerung der Fristen für die Zukunft diskutiert. Eine rückwirkende Aufhebung oder zumindest Verlängerung der Fristen kommt für den Gesetzgeber dagegen ausdrücklich nicht in Betracht. Dies gilt erst recht hinsichtlich der strafrechtlichen Verjährungsfristen, da das im Grundgesetz verankerte Rückwirkungsverbot eine solche Gesetzesänderung grundsätzlich verbietet.

Der Schutz der Täter wird demnach weiterhin über den Schutz der Opfer gestellt, welche sich hierdurch – einmal mehr – entwürdigt sehen.

Dies ist in keiner Weise hinnehmbar und kann nicht totgeschwiegen werden.

Aus diesem Grund wollen die Betroffenen nicht weiter schweigen, sondern den deutschen Staat unter Federführung von netzwerkB, dem Netzwerk Betroffener von sexualisierter  Gewalt, mittels einer „Sammelklage“ vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für sein weiterhin massives Versagen im Hinblick auf den Schutz und die Entschädigung von Opfern sexualisierter Gewalt anprangern.

i.A. für netzwerkB

Stefan Schulze (Rechtsanwalt), Anett Hildebrand (Rechstanwältin), R. Ossig (Rechtsanwalt)

Betroffene die sich an dieser Klage beteiligen wollen können Kontakt mit uns aufnehmen unter:
info@netzwerkb.org
Tel.: 04503 892782