netzwerkB 26.01.2012

Der Verein MOGIS e.V. hat uns um unsere Meinung gebeten, was wir von der nachfolgenden Stellungnahme halten:

Zitat:

Betreffs: Abschaffung der Verjährungsfristen bei sexuellem Kindesmissbrauch

Es wird sie vielleicht überraschen, aber, MOGiS e.V. ist, obwohl ein Verein von Betroffenen sexuellen Kindesmissbrauchs, gegen die generelle Aufhebung der Verjährungsfristen bei sexuellem Kindesmissbrauch.

Die Vorstellung auch noch nach Jahrzehnten in einem Hauptverfahren zum erlebten Missbrauch aussagen zu müssen1 schmerzt. Auch wir wollen irgendwann einmal mit dem Missbrauch abschließen, den Blick nach vorne richten und schauen, wie wir unser Leben so einrichten, dass es für uns einfacher zu bewältigen wird.

Zudem erscheinen uns die Forderungen nach verlängerten Verjährungsfristen oder deren Aufhebung ein symbolischer Akt, der sich von der Politik viel zu leicht instrumentalisieren lässt, um mit geringen monetären und politischen Kosten etwas positive Publicity zu bekommen, anstatt Betroffenen tatsächlich und wirksam zu helfen.

Wir verstehen natürlich jede(n) Betroffene(n) der oder die sich nach so langer Zeit eine Wiedergutmachung wünscht – Wir glauben nur nicht daran, dass Rache dabei langfristig hilft. Denn selbst wenn das Hauptverfahren mit einer Verurteilung endet (was nach mehreren Jahrzehnten eher unwahrscheinlich erscheint), so muss man doch trotzdem einen Weg finden mit der eigenen Betroffenheit ein halbwegs würdevolles Leben zu führen.

Wir denken man muss an dieser Stelle auch aufpassen nicht unerfüllbare Erwartungen bei Betroffenen zu wecken, möchten aber als Kompromiss anregen, in Betracht zu ziehen, die Straftat nach Ende der regulären Verjährungsfrist auf Antrag des oder der Betroffenen zu verfolgen. Zusätzlich fordern wir eine Angleichung der Ruhensfristen (§78b StGB) an die Hemmungsfristen aus dem Zivilrecht (§207/§208 BGB) und eine Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfristen in Anpassung an die strafrechtlichen Verjährungsfristen.

Ein weiteres Anliegen ist uns die regelmäßige Anbindung zivilrechtlicher Entschädigungs-Verfahren an die strafrechtlichen Hauptverfahren. Zudem setzen wir viel mehr auf direkte Hilfen zur Lebensbewältigung für Betroffene – wobei wir eine Deckelung bei 10.000 Euro ablehnen.

Was die tatsächlichen Verbesserungen der Situation für Betroffene angeht, sind wir inzwischen leider ein wenig skeptisch geworden. Nicht nur ist es so, dass sich zum Beispiel bei der Unterstützung von Beratungsstellen (wie z.B. Tauwetter) nicht viel bewegt, so ist es inzwischen sogar so, dass sich die Situation von Betroffenen durch die geplanten Kürzungen bei der Finanzierung von Psychotherapien noch zusätzlich verschlechtern wird.

Zusätzlich muss unseres Erachtens die Arbeit der Beratungsstellen vollumfänglich und flächendeckend gesichert werden. Eine zusätzliche Stärkung der Beratungsnetzwerke war zudem auch eine Empfehlung der Sonderbeauftragten Frau Dr. Bergmann und der Arbeitsgruppen des Runden Tisches.

Bezüglich der Hilfen für Betroffene hat Ministerin Frau Dr. Schröder am 30. 11 2011 die Einrichtung eines Fonds für Hilfen für Betroffene verkündet – der Bund wolle wenigstens 50 Millionen Euro bereitstellen – Wir fragen uns: Wo bleibt dieser Fond? Wo sind die 50 Millionen, die in diesen eingestellt werden sollten?

Zudem fragen wir uns: Was ist eigentlich aus der Einrichtung einer Clearingstelle zur Bearbeitung der berechtigten Ansprüche von Betroffenen geworden? Diese wurde sowohl von der Unabhängigen Beauftragten Frau Dr. Bergmann als auch von den Arbeitsgruppen des Runden Tisches angeregt.

Lassen Sie mich zum Schluss folgende Frage stellen:

Das Leid der Betroffenen sexuellen Kindesmissbrauchs ist ungedeckelt, warum sind es die Hilfen, die man ihnen zugesteht?

Zitatende

netzwerkB verweist in diesem Zusammenhang auf die Rede des Vorstandsvorsitzenden von netzwerkB, Norbert Denef, der mit einem Beitrag als Gastredner auf dem Bundesparteitag der SPD, am 6. Dezember 2011, die Delegierten des Parteitages davon überzeugen konnte, die Verjährungsfristen für sexualisierte Gewalt aufzuheben.

Der Antrag wurde einstimmig ohne Gegenstimme angenommen!

Die gesamte Rede von Norbert Denef unter:
Antrag zur Aufhebung der Verjährungsfristen einstimmig angenommen

Mehr auf netzwerkB:

Dunkelziffer e.V. unterstützt Aufhebung der Verjahrungsfristen

Rückwirkungsverbot

netzwerkb Gesetzentwurf Verjährungsfristen

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Beschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland