Stand 24.02.2012 (als PDF herunter laden)

Position netzwerkB’s zur Bundesinitiative der Betroffenen von sexualisierter Gewalt und Missbrauch im Kindesalter e.V. (http://www.die-bundesinitiative.de/)

Zur Koordination der über 500 Opfervereine gründete sich am 20. August 2011 die Bundesinitiative für Betroffene (BI) und wurde am 2. Dezember 2011 im Vereinsregister des Amtsgerichtes Scharlottenburg eingetragen unter: 95 VR 31053 B. Anspruch war es, den aufwändigen Dialog zwischen den Betroffenen zu koordinieren und eine einheitliche Position der verschiedenen Betroffenenverbände für den Runden Tisch zu erfassen. Es dürfte klar sein, dass sich allein aus diesem Anspruch noch kein Alleinvertretungsanspruch der BI für die Betroffenen ergab. Ein halbes Jahr nach Gründung der BI steht die Einlösung des Anspruchs dieser Initiative mehr als in Frage. Gerade fünf Vereine sind noch Mitglied. Dennoch gilt die Initiative der Regierung als repräsentative Stimme der Betroffenen und wird nun mit mehr als 27.000 Euro finanziert.

Fragwürdige Entscheidungen der Bundesinitiative

Hinter einem großen Namen „Bundesinitiative der Betroffenen von sexualisierter Gewalt und Missbrauch im Kindesalter“ verbirgt sich bei genauerem Hinsehen nicht mehr als ein formaler Verwaltungsapparat zur Zustimmung von fragwürdigen Beschlüssen am Runden Tisch. Gründung und Legitimation bleiben dabei weitgehend unklar. So hat sich die BI im März 2011 nicht etwa gegründet, sondern nach Angaben der Website konstituiert. Die Gründung eines Trägervereins erfolgte erst wesentlich später. Zudem erweckt die BI den Anschein als wäre der Anspruch, die Betroffenenverbände zu koordinieren, immer schon erfüllt gewesen. Bei genaueren Hinsehen aber ist dem Betrachter klar: Die BI arbeitet weder auf demokratischer Grundlage, noch setzt sie sich für die Interessen vieler Betroffener ernsthaft ein. Eher erscheint es so, dass die BI vor allem ein Instrument für strategisch politische Ziele der Regierung ist, da dort vor allem Positionen vertreten werden, die den Auffassungen der Regierung entgegen kommen. Könnte dies zum Beispiel ein Grund sein, warum die Regierung diese Initiative bereitwillig finanziert? Anhand zwei maßgeblicher Fehlentscheidungen lässt sich verdeutlichen, wie die BI gegen die Betroffenen arbeitete und dabei der Regierung ein angenehmer Gesprächspartner war. Diese beiden Fehlentscheidungen betreffen:

  1. Die Ablehnung der rückwirkenden Aufhebung der Verjährungsfristen
  2. Die Anerkennung der Deckelung von Entschädigungszahlen auf 10.000 Euro

1. Systemkonform gegen die rückwirkende Aufhebung Verjährungsfristen

Sehr früh schon sprach sich die BI gegen die rückwirkende Aufhebung der Verjährungsfristen aus. Hierbei berief sich die BI vor allem auf den angeblich geltenden Grundkonsens eines Rückwirkungsverbots in demokratischen Gesellschaften. Ohne also auf die Betroffenen in ihrer Lebensperspektive Rücksicht zu nehmen, lehnte die BI pauschal eine rückwirkende Aufhebung ab. Das Argument verblieb hierbei oberflächlich und schmal:

  • Die rückwirkende Aufhebung der Verjährungsfristen bedeutet einen Systembruch.

Dass es sich bei der rückwirkenden Aufhebung der Verjährungsfristen (wie im Übrigen auch bei der bloßen Aufhebung der Verjährungsfristen) um einen Systembruch handelt, dieser Tatsache ist und war sich netzwerkB in voller Klarheit bewusst. De facto fordert und forderte netzwerkB diesen Systembruch, da ein System, das Kriminalität unterstützt und begünstigt, keine Legitimation besitzt.

Systembrüche sind gesetzlich nicht verboten und in demokratischen Gesellschaften, insofern sich bestimmte Ausformungen des Systems als substantiell ungerecht erweisen, notwendig: Warum sollte etwa ein System Bestand haben dürfen, wenn sich aufgrund dieses Systems fatale Auswirkungen für die Lebenswelt der Betroffenen ergeben? Die Argumentation der BI bedeutete daher nicht mehr als die pauschale Akzeptanz bestehender Systeme, auch wenn diese sich als ungerecht erwiesen. Hierbei hat sich die BI von einem simplen Verweis der Regierungsparteien, dass ein angeblicher Konsens über das Rückwirkungsverbot bestehe, verwirren lassen. Letztlich aber verbarg sich hinter all den Schleiern der endlosen Diskussionen nicht mehr als folgende, unheilvolle Tautologie als Hauptargument:

  • Wir sind gegen eine Aufhebung der Verjährungsfristen, weil es ein Systembruch wäre. 

  • Dies bedeutet: Wir sind gegen einen Systembruch, weil es ein Systembruch wäre.

Aus internen Dokumenten der BI geht diese Position hervor. Gerade nach Argumentation der BI glaubte man blind, dass demokratische Staaten an den Grundkonsens eines Rückwirkungsverbots unweigerlich gebunden wären. Einfache Fragen aber hätten schon diesen Glauben an bestehende Systeme erschüttern können: Ist die Gesetzgebung an angebliche Grundkonsense gebunden, wenn sich gravierende Einsprüche aus der Lebenswelt ergeben?

Mit dem Verweis auf einen angeblichen Grundkonsens verkannte die BI den wahren Charakter von Konsensen: Ein Konsens ist immer nur vorläufig und zwar solange bis sich Einsprüche ergeben. Die pauschale Ablehnung der BI bedeutete damit nichts anderes, als dass sie die Augen vor dem Leid der Betroffenen, die in diesem System ungerecht behandelt werden, verschloss. Die Einsprüche aus der Lebenswelt der Betroffenen kamen so im Diskurs niemals vollends zur Geltung. Die BI handelte schlichtweg konform mit einem System, das Unheil für die Betroffenen hervorbringt.

Anstatt also über die Gerechtigkeit für Betroffene in einer Gesellschaft nachzudenken (was wohl der tiefgreifendere Grundkonsens unserer Gesellschaft ist), hielt sich die BI an geltende Regeln eines Rechtsstaates. Aus philosophischer Sicht bleibt hier anzumerken: Die BI verwechselte grundlegend Geltung mit Gültigkeit. Allein aufgrund der Geltung eines Grundkonsenses sei das Rückwirkungsverbot gültig. netzwerkB dagegen wendete immer wieder ein: Geltende Konsense haben nur Gültigkeit, solange keine berechtigten Einwände im Diskurs aufkommen würden. Berechtigte Einwände gegen die formale Anwendung des Rückwirkungsverbots kamen durch netzwerkB zur Genüge. So zeigte netzwerkB all zu oft die fatalen Folgen der Gesetzgebung für die Lebenswelt Betroffener in detaillierten Einzelfallschilderungen (verwiesen sie hier auf die Sammelklage vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte).

Die Ungerechtigkeit gegenüber dem Einzelnen genügt, um ein geltendes System im Hinblick auf seine Gültigkeit zu befragen. Für Betroffenen, für die sich netzwerkB einsetzt, stellt die geltende Verjährungsregel in vielen Fällen einen Schicksalsschlag dar. Dies bestätigte Norbert Denef auf dem Parteitag der SPD eindrucksvoll, wonach die Abgeordneten aufgrund ihrer lebensweltlichen Intuition für eine Aufhebung der Verjährungsfristen stimmen mussten (http://youtu.be/j3sUibSUnu0). In ähnlicher Weise formulierte es aber auch Romana Blechschmidt als Außenstellenleiterin des Weißen Ringes in Lörrach, als sie auf die Ungerechtigkeit der Verjährungsfristen verwies:

„Es sind die Momente, wenn ich einem Menschen, dessen Leben durch sexuellen Missbrauch in der Kindheit praktisch zerstört wurde (Missbrauch ist zweifellos Mord an der Seele), sagen muss, dass es für ihn keinerlei Hoffnung auf Entschädigung und damit Anerkennung des an ihm begangenen Unrechts gibt, in denen ich die Arbeit beim WEISSEN RING fast verabscheue und mich frage, warum ich mir das eigentlich antue.“ (Jahresbericht Lörrach 2011)

Das Zitat bestätigt: Für Betroffene, die nicht klagen können, ist die Verjährungsregel ein Schicksalsschlag. Gleich welche demokratischen Mehrheitsverhältnisse sich daher abbilden lassen, diese Betroffenen haben einen demokratischen Vertretungsanspruch aufgrund der enormen Ungerechtigkeit und des tiefen Leids, das ihnen mit der Verjährungsregel aufgrund eines formalen Systems widerfährt. Ein pauschaler und angeblicher Grundkonsens zwischen demokratischen Gesellschaften besteht demnach nicht, denn in einem Diskurs führt bereits ein berechtigter Einwand zum Dissens. Dieser Einwand kommt von Betroffenen und er verlangt eine rückwirkende Aufhebung der Verjährungsfristen aufgrund des substantiellen Leids, was sich vollzieht.

Aus dieser Einsicht ergeben sich Konsequenzen: Bei Diskursen zwischen Betroffenen geht es nicht in erster Linie um etwaige oder angebliche Mehrheitsverhältnisse (wie sollten diese auch, wenn nicht durch Wahlen, die allgemein, frei, gleich, unmittelbar und geheim sind, bestimmt werden?). Aber  selbst wenn sich 99 Prozent der Betroffenen gegen eine rückwirkende Aufhebung der Verjährungsfristen aussprechen würden, aufgrund der berechtigten Einwände hinsichtlich des ungerecht behandelten Einzelnen ist selbst ein vorläufiger Grundkonsens immer wieder in Frage zu stellen. Der Diskurs darüber darf nicht zur Ruhe kommen, solange auch nur diesen einem Betroffenen nicht geholfen ist. Kein formaler Verweis wie bei der BI (oder auch in der Politik) auf angebliche Grundfeste einer so nur formalen Demokratie kann die Ablehnung des Diskurses über die rückwirkende Aufhebung der Verjährungsfristen begründen. Vielmehr bleibt hier nur an die Grundlage einer offenen Demokratie zu erinnern, die sich aus den Diskursvoraussetzungen selbst jederzeit erschließen lässt: Gültig ist eine Regel, nicht weil sie gilt, sondern weil sie sich im Konsens aller Betroffenen als gerecht gegenüber jedem zu jeder Zeit rechtfertigen lässt. Ist dies nicht der Fall, so muss der Diskurs fortgeführt werden. Ergebnisse und Nebenfolgen müssen schließlich von allen Betroffenen zwanglos akzeptiert werden können. Dieses Universalisierungsgebot bleibt für demokratische Staaten erhalten.

Allein also der Verweis der BI auf einen Grundkonsens zwischen den demokratischen Staaten war ein Missgriff im Vokabular, denn tatsächlich handelt es sich um Dissens. Vormals von anderen Diskursteilnehmern ausgehandelte Konsense sind keine Begründung, sondern die lebensweltlichen Schicksale müssen in den Fokus des Diskurses immer wieder neu einrücken. Mit der Missinterpretation der deontologischen Struktur von Konsensen (nämlich, dass sich Konsense nur in der Lebenswelt durch Begründung einstellen) zeigte die BI, dass sie systemkonform und nicht im Sinne der ungerecht behandelten Betroffenen agierte.

2. Undemokratisches Verhalten der BI bei Verhandlungen über Entschädigungszahlungen

Mit der frühen Ablehnung der Diskurse seitens der BI war klar, dass keine angemessene Vertretung von Betroffenen zu erwarten war. Die BI verteidigte vor allem nach bestehenden Regeln das System, welches für so viele Betroffene Unheil bedeutete. Das demokratische Missverständnis bei der BI setzte sich jedoch auch in anderen Dingen fort: Anstatt die Interessen Betroffener in konsensorientierten Diskursen zu vertreten, begann die BI im Zuge der Schwierigkeit dieser Diskurse vor allem strategisch auf Kompromisse zu Ungunsten der Interessen Betroffener zu setzen. netzwerkB distanzierte sich früh von dieser strategischen Aufopferung einzelner Betroffener und enthielt sich von der Zusammenarbeit mit der BI. Wie aus dem Positionspapier zur geplanten Abschaffung von netzwerkB auch später hervorgeht, so wollte sich netzwerkB vor allem nicht für politische Kompromisse instrumentalisieren lassen und in minder gerechte oder gar ungerechte Positionen einwilligen. Das einzelne Schicksal konnte nicht einfach für faule Kompromisse zu Gunsten einer angeblichen Mehrheit fallen gelassen werden. netzwerkB vertrat die Position, dass es nicht darum gehen kann, Kompromisse auszuhandeln, sondern es ging darum, auf Konsense im Sinne der umfassenden Gerechtigkeit für Betroffene diskursiv hinzuwirken. Solange nicht allen Betroffenen Gerechtigkeit widerfahren würde, hätte jeder Kompromiss Dissens zurückgelassen.

Die fragwürdige Kompromissberechtigung der BI

Im Interesse der Betroffenen sind Betroffenenvertreter, die schlichtweg nur einen Verein gegründet haben (und dies kann schließlich jeder, der dazu Lust und Laune hat) nicht zu politischen Kompromissen berechtigt. Vereine können nur das Interesse an Gerechtigkeit im Diskurs verdeutlichen, nicht aber ohne demokratische Grundlage die Positionen und Forderungen einer Gruppe von Betroffenen zur Verhandlung stellen, die nicht Vereinsmitglieder sind. Über die Vereinsmitglieder hinaus kann ein Verein einzig auf die individuellen Lebensperspektiven hindeuten, aber eine Verhandlungsgrundlage besteht damit nicht. Auf diese Tatsache verwies netzwerkB immer wieder und versucht im Gegensatz zur BI bis heute, Gerechtigkeit auf dem juristischen Weg vom Gesetzgeber zu erfahren oder durch präzise Einwände den Diskurs fortzuführen. Die Gerechtigkeit für den Einzelnen im Verhältnis zum System stand im Vordergrund.

Dieser Vertretungsanspruch schien der BI jedoch niemals bewusst. Vielmehr lässt sich eine skandalöse Fehlinterpretation der eigenen Verhandlungspositionen erkennen. Statt tatsächlich Betroffenenvertreter als Verein zu sein, interpretierte sich die BI wie eine demokratisch gewählte Partei der Betroffenen und ließ sich so undemokratisch auf Kompromissverhandlungen ein.

Wichtig ist hieran hervorzuheben: Die BI hatte aufgrund der unklaren Legitimation unter keinen Umständen den Auftrag, die Interessen von ganzen Betroffenengruppen auszuhandeln. Man stelle sich zum Vergleich vor: Eine selbsternannte Gewerkschaftsvertretung tritt in Verhandlung mit der Regierung, um einen Kompromiss über Mindestlöhne in einem Abschlusspapier auszuhandeln. Da jeder in Deutschland solche Vereine gründen kann, wären solche Finten mit Sicherheit geschickt von  Regierungen instrumentalisierbar, aber gerecht wären sie nicht. Ähnliches gilt für den Fall der BI. Die BI stellte in gewisser Hinsicht einen selbsternannten Verhandlungspartner dar, der besser zu handhaben war als Betroffene, die auf das Ideal der Gerechtigkeit pochten. Genau besehen, hat die Regierung ihren Verhandlungspartner durch die Berufung der BI an den Runden Tisch selbst ernannt. Dies war niemals demokratisch und die Ergebnisse der BI, die der Regierung in die Hände spielten, waren daher zu erwarten.

Die Realität wurde bald durchschaut: Die BI mochte zwar mit dem Anspruch angetreten sein, der Betroffenenverein aller Betroffenenvereine zu werden, aber darauf konnten sich die tatsächlich existierenden Betroffenenvereine nicht einigen. Dies hielt die BI von ihren fragwürdigen Kompromissverhandlungen nicht ab. Womöglich von der übertragenen, politischen Rolle durch die Regierung überwältigt, traten sie zu sinnlosen Aushandlungen zusammen. Mit dem imaginären Vertragspartner BI kam der Runde Tisch letztlich zur Einigung über die Entschädigungszahlungen. Diese wurden auf 10.000 Euro pro Betroffenen gedeckelt. Die Regierung nutzte die Naivität der BI (einem Verein, den jeder gründen kann) aus und verkaufte dies als eine Zustimmung der Betroffenen. Aus einem internen Schreiben der BI geht die skandalöse Missinterpretation der eigenen Rolle hervor. Die BI sah sich als Verhandlungspartner, der letztlich strategisch Betroffeneninteressen in faulen Kompromissen hinterging:

„Unter der Bedingung, dass so ein Zusatzangebot für alle Betroffenen durch
die Beteiligten am Runden Tisch beschlossen wird, haben wir uns auf die vorgeschlagene Begrenzung auf 10.000 Euro eingelassen. […] Am Ende hätte im schlimmsten Fall die Kirche ein „großzügiges“ Angebot an “ihre“ Opfer gemacht, zum Beispiel 15.000 Euro und die familiären Betroffenen hätten mit leeren Händen dagestanden, weil für sie der Staat, also Bund und Länder leisten müssen, wenn der Täter dazu nicht in der Lage ist.“

Die BI hatte keine Befugnis strategisch Betroffene in dieser Weise zu verraten. Nehmen wir den Fall einer Betroffenen, die seit jüngsten Kinderjahren von Kirchvertretern systematisch gequält und missbraucht worden ist. Dies über den Zeitraum von mehr als Zehn Jahren. Mit einer Deckelung auf 10.000 Euro ist diese Betroffene schlicht übers Ohr gehauen worden. Die strategische Verhandlung der BI ohne Auftrag dieser Betroffenen ist mehr als eine Ohrfeige eben für diese Betroffene. Die BI hat aus strategischen Gründen ein der Regierung und den Tätervereinen genehmes Angebot akzeptiert und hat dabei ihre Diskursverantwortung für eben auch diese Betroffenen aufgegeben, die unter keinen Umständen mit 10.000 Euro entschädigt werden kann. Man stelle sich vor, welch tiefgreifende Beschneidung in den Freiheitsrechten vorliegt, wenn andere für jemanden einen unhaltbaren Kompromiss ohne Auftrag aushandeln. Und mehr noch: Ein ungerechtes Ergebnis durchzusetzen, das auf Jahrzehnte hinaus Bestand haben könnte, um ein angeblich noch ungerechteres Ergebnis zu verhindern, diesen Kompromiss tragen vor allem die Betroffenen, nicht aber die selbst ernannten und von der Regierung akzeptierten Unterhändler der BI. Anstatt wirklich und wahrhaft die Interessen der Betroffenen mit harten Argumenten zu vertreten, half die BI so den Täterschützern. Noch heute erwecken Regierung und BI den Anschein, als handelte es sich um einen realen Verhandlungspartner, der für die Vielzahl der Betroffeneninteressen befugt ist, einzutreten, tatsächlich aber war die BI nicht mehr als ein Fortsatz der Regierung.

Folgen der ungefragten Betroffenenvertretung durch die BI

Die Konsequenzen der unberechtigten Alleinvertretung und skandalösen Aushandlung der BI zeigten sich bald in gravierendem Ausmaß. Die Gegenrede der Bundestagsabgeordneten Deligöz auf dem Bundesparteitag der Grünen gibt Zeugnis ab, wohin derartige Betroffenenvertretung schließlich führt. Unter Berufung auf die BI gab sie auf dem Bundesparteitag der Grünen in Kiel bekannt, dass Betroffene keine Aufhebung der Verjährungsfristen wollen würden, woraufhin der Antrag auf eine Aufhebung der Verjährungsfristen abgelehnt worden ist. Ganz anders verlief die Entscheidung, als Norbert Denef auf dem Parteitag der SPD die Lebensperspektive eines ungerecht behandelten Betroffenen darstellen konnte. Das Ergebnisse fiel denkbar unterschiedlich aus: Gegen die lebensweltliche Intuition konnten sich die Mitglieder der SPD nicht wehren und es folgte eine 100 prozentige Zustimmung zur Aufhebung der Verjährungsfristen (http://youtu.be/j3sUibSUnu0).

Ursachen undemokratischen Verhaltens

Zu der Gründung und Legitimation der BI lässt sich im Netz nur weniges ausfindig machen. Auf einmal war sie da. Angesichts der Tatsache aber, dass die BI systemkonform die rückwirkende Aufhebung der Verjährungsfristen ablehnte und sich bei zweifelhaften Kompromissen als angeblicher Verhandlungspartner über den Runden Tisch ziehen ließ, kann letztlich nur über deren externen Grund gemutmaßt werden. Das Ministerium Schröder, Schavan und Leutheusser-Schnarrenberger haben einen Verhandlungspartner gestellt bekommen, der ganz in ihrem Sinne argumentierte. Obwohl nur wenige Betroffenenverbände unter dem Dach der BI zusammen kamen, akzeptierten diese Minister bereitwillig die BI als ersten Ansprechpartner, um die Meinungen von Betroffenen einzubeziehen. Dies taten sie, weil die BI sich als leicht beeinflussbares Instrument zeigte, das sich vor allem systemkonform von angeblichen Zwängen der Verfassung einlullen ließ und angesichts fragwürdiger Verhandlungspositionen viele Betroffene in ihrem Anspruch auf Gerechtigkeit verrat. Letztlich wurde die BI akzeptiert, um strategische Kompromisse schließen zu können und medial das Einverständnis der Betroffenen vorspiegeln zu können. Die Regierung selbst initiierte dieses undemokratische Schauspiel und trägt damit die Hauptverantwortung.

Mit der Akzeptanz des nahezu imaginären Vertragspartners umging die Politik den bedeutend schwierigeren Weg, die Konfrontation mit den Einzelschicksalen zu wagen und die Folgen des Systems für den Einzelnen radikal zu bedenken. Sie zögerte den nötigen Systembruch hinaus, der in Deutschland das Leid vieler Betroffener endlich hätte beenden können. Schlussendlich konnte die Antwort auf die Frage, warum die Regierung die BI (einen Betroffenenverein, der sich kaum von anderen Vereinen unterscheidet) mit 27.000 Euro finanziert, kaum klarer sein:

Vereine, die systemkonform agieren und meinen, fragwürdige Kompromisse ohne demokratische Grundlage schließen zu dürfen, können Regierungen immer gebrauchen.

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