nachrichten.t-online.de 24.07.2012

dapd – Das Missbrauchsopfer Norbert Denef hat nach gut sechs Wochen seinen Hungerstreik beendet. Die Entscheidung sei nach Rücksprache mit Unterstützern, die sich seiner Aktion angeschlossen hatten, und den Ärzten gefallen, teilte der 63-Jährige, der Vorsitzender des Opferverbandes NetzwerkB ist, am Dienstag im schleswig-holsteinischen Scharbeutz (Kreis Ostholstein) mit. Er hatte sich seit dem 8. Juni nur noch von Tee, Wasser, Gemüsewasser und Limonensaft ernährt. Mit der Aktion warb Denef für seine Forderung nach einer Aufhebung der Verjährungsfristen für sexuellen Missbrauch.

Während des Hungerstreiks sammelte er knapp 64.000 Unterschriften für sein Anliegen. Als Kind war Denef selbst von mehreren Tätern über Jahre systematisch missbraucht worden. 35 Jahre lang hatte er zu den traumatischen Ereignissen aus seiner Kindheit und Jugend geschwiegen. Als er nach Depressionen, Panikattacken und Burn-Out soweit war, waren die Taten bereits verjährt. Bei sexueller Gewalt ist dies nach deutschem Strafrecht nach zehn Jahren der Fall, in besonders schweren Fällen nach 20 Jahren.

Mit zehn Jahren war der damalige Ministrant in seiner Heimatstadt Delitzsch (Nordsachsen) von einem katholischen Pfarrer missbraucht worden – das Drama dauerte sechs Jahre. Danach kam ein weiterer Kirchenangestellter. Denefs Martyrium endete erst im Alter von 18 Jahren. Noch heute leidet der Rentner an den Folgen.

Die Missbrauchsfälle des Pfarrers seien in seiner Heimat lange bekannt gewesen. Immer dann, wenn in einer Gemeinde darüber bereits gesprochen wurde, sei der Pfarrer „über Nacht in eine andere Gemeinde versetzt worden“. „Insgesamt hat der mittlerweile verstorbene Pfarrer nach meinen Erkenntnissen 150 bis 200 Kinder und Jugendliche missbraucht“, sagte Denef.

2003 hat er zwar 25.000 Euro zur Durchführung einer Therapie vom Bistum Magdeburg angeboten bekommen, jedoch nur wenn er wieder schweigt. Denef wandte sich an den Papst und bat ihn um Hilfe, weil der Bischof von Magdeburg ihn wieder zum schweigen zwingen wollte.

Ein halbes Jahr später erhielt er sogar eine Antwort aus dem Vatikan. „Der Papst ließ mir mitteilen, dass er für mich bete und mich ermutigt, den Allmächtigen Gott um die Kraft der Vergebung zu bitten.“ Nach diesem Schreiben hat Denef versucht, sich das Leben zu nehmen. Nach zweijährigem juristischem Kampf wurde die Schweigeklausel gestrichen.

In der Folge schrieb Denef ein Buch über sein Leiden („Ich wurde sexuell missbraucht“) und gründete das netzwerkB (Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.). Aus der katholischen Kirche ist er bereits vor Jahren ausgetreten. Ende 2011 sprach er auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin über die Leiden der Betroffenen. Kurz nach seiner dreiminütigen Rede habe der Parteitag sich einstimmig für die Aufhebung der Verjährungsfristen bei sexualisierter Gewalt ausgesprochen, sagte er. Erst am vergangenen Freitag hatte Denef in Berlin vor dem Reichstag erneut das Gespräch mit Vertretern der SPD mit dem Ziel gesucht, die Sozialdemokraten zu motivieren, sich auf die Seite der Betroffenen zu stellen.

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