Herr Dr. Ralf Stegner, Landesvorsitzender der schleswig-holsteinischen SPD, und Norbert Denef aus Scharbeutz, Vorsitzender des bundesweit tätigen Netzwerks Betroffener von sexualisierter Gewalt, kurz netzwerkB, werden sich am 21. November 2012 um 16:00 Uhr im Willy-Brand-Haus Berlin treffen.

Herr Dr. Stegner wird von Norbert Denef die Unterschriftenlisten mit 64.639 Unterschriften einer Petition entgegennehmen, in denen die Unterzeichnenden den Deutschen Bundestag auffordern, die Verjährungsfristen für sexualisierte Gewalt im zivilrechtlichen und strafrechtlichen Bereich ganz aufzuheben.

Denef ist selbst Missbrauchsopfer: Denef wurde vom 10. bis 18. Lebensjahr systematisch missbraucht, zunächst vom Pfarrer in seinem Heimatort Delitsch und, als dieser versetzt wurde, vom Chorleiter der Gemeinde, beide Freunde der Familie. Denef verdrängte das lange Zeit, liess sich von dem Täter sogar trauen, in der Mitte seines Lebens folgte dann, für die Lebensgeschichte von Opfern von Missbrauch nicht unüblich, ein Zusammenbruch. Er fand dann erst die Kraft und die Worte, um über das Geschehene reden zu können. Erst nach 45 Jahren war er dazu in der Lage die Taten anzuzeigen. Es liegen im Fall von Denef sogar die Geständnisse der Täter vor, doch aufgrund der Fristen sind die Taten schon lange verjährt.

Die Geschichte von Herrn Denef ist kein Einzelfall, sondern nur einer von mehreren Millionen Betroffenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit sexualisierte Gewalt erlebt haben (s. Häuser-Studie: http://www.aerzteblatt.de/archiv/87643). Oftmals handelt es sich um Mehrfach- oder Serientäter. Gewalt in der Familie, im privaten Umfeld und im Bereich von Einrichtungen für die Jugend ist ein bekanntes, aber verschwiegenes Massenverbrechen. Viele Betroffene halten sich auch für das einzige Opfer des Täters und denken, dass man ihnen nie glauben würde. Es kommt auch vor, dass Betroffene, die über das Erlittene berichten, Unterlassungsklagen von den Tätern erhalten.

Norbert Denef und weitere Mitglieder von netzwerkB gingen im Juni 2012 in den Hungerstreik, um dagegen zu protestieren, dass die Politik nichts unternimmt, um die Situation von Opfern von sexualisierter Gewalt zu verbessern. Norbert Denef war 46 Tage im Hungerstreik, bis er aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste. Denef wartete am 36. Tag seines Hungerstreiks vor dem Reichstag und versuchte vergeblich, mit einem Vertreter der Bundesfraktion der SPD zu reden: „Es kam niemand. Stattdessen kam die Polizei und versuchte, mich wegzuschicken.“
http://netzwerkb.org/2012/07/13/hungerstreik-tag-36-es-geht-um-unsere-kinder/

Die Unterschriftenaktion wurde wenige Tage nach dem Hungerstreik gestartet. AVAAZ nahm Bezug auf den Hungerstreik und bot an, dafür seine Internetplattform bereitzustellen. Norbert Denef nahm dieses Angebot an. Es war überwältigend, innerhalb von wenigen Tagen 64.639 Unterstützerunterschriften zu bekommen.

netzwerkB stellte wiederholt eine Anfrage beim Präsidenten des Deutschen Bundestages, Herrn Prof. Norbert Lammert, ihm die Unterschriften der Petition überreichen zu können. Eine direkte Antwort erhielt Herr Denef bis heute nicht, lediglich eine Antwort des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages, dass man die Unterschriften aus formalen Gründen ablehnen werde und dass man Herrn Denef auffordere, die Unterschriften noch einmal zu sammeln (Anlage: Petitionsausschuss_28-09-2012).

Aus der Sicht des Vorsitzenden von netzwerkB stellen die Unterschriften einen klaren Auftrag an die Politik und die Gesellschaft dar. Das eigentliche Signal lautet, dass die Kinder geschützt werden müssen, nicht die Täter. Die Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden. Es bedarf nicht nur einer Aufhebung der Fristen, sondern vor allem auch einer Anzeigepflicht, der Anerkennung als schwere Straftat und eines höheren Strafrahmens. Es bedarf ferner einer Reform des Schadensersatzes für alle Menschen, die durch Gewalt in ihrer Gesundheit beschädigt werden.

Herr Denef bedankt sich im Namen von netzwerkB und den Unterzeichnern ausdrücklich bei Herrn Dr. Stegner, dass dieser bereit ist, die Unterschriften im Namen der Politik anzunehmen und an den Deutschen Bundestag weiterzureichen.

netzwerkB wird sich für die Belange der Opfer weiter einsetzen. Es geht dabei auch insbesondere darum, den Opfern von heute zu helfen und solche Taten in Zukunft zu verhindern. Die Perspektive muss eine Gesellschaft sein, die wirklich etwas gegen Gewalt unternehmen will.
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