Von CHRISTIAN WIERMER


Foto: netzwerkB

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HANNOVER –  Starke Wahlergebnisse, Konsens-Beschlüsse, ganz viel Harmonie:

So ging´s beim Grünen-Parteitag am Wochenende zu. Doch ein Ereignis am späten Samstagabend trübte die Stimmung.

Kurz vor 23 Uhr der Eklat: Ein Opfer von Missbrauch durch einen katholischen Priester wird von der Bühne verwiesen. Gerade als Norbert Denef (63), Vorsitzender des „netzwerkB“ angesetzt hatte, um – auf Bitten einiger Grünen-Mitglieder – zum Antrag auf Verlängerung der Verjährungsfristen für Straftaten wie Vergewaltigung und Missbrauch zu sprechen, stoppte ihn das Tagungspräsidium.

Ohne Anmeldung geht nichts

Denef sei kein Grünen-Mitglied, könne deswegen hier nicht reden. Tumult auf und am Rande der Bühne. Nach langen Diskussion die Entscheidung: Denef darf nicht sprechen. Die Satzung sei eindeutig, wiederholt Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke, auch im persönlichen Gespräch.

Die Antragsteller könnten nicht einfach irgendjemanden unangemeldet auf die Bühne schicken, hieß es aus der Parteiführung. Sonst würden Tür und Tor für alle geöffnet. Einen geordneten Parteitagsablauf mache das unmöglich.

Der aus zahlreichen Talkshows bekannte Denef – nach Medienberichten das erste Opfer in Deutschland, das eine Entschädigung von der römisch-katholischen Kirche erwirken konnte -, rannte jedoch noch abends wutentbrannt durch die Halle. „Ich bin als Gast hier, fühle mich aber überhaupt nicht als solcher“, schimpfte er.

Auch am Morgen danach war er kaum zu beruhigen. „Das war eine Katastrophe“, sagte er unserer Zeitung. „Die Grünen haben wieder eine Chance versäumt, ein Zeichen setzen und gleichzeitig mit ihrer eigenen Vergangenheit aufzuräumen.“

Formfehler der Antragsteller

Hat er kein Verständnis dafür, dass eben nur Grünen-Mitglieder auf Parteitagen sprechen dürfen? Es habe sich lediglich um einen „Formfehler“ der Antragsteller gehandelt, dass er nicht offiziell als Gastredner angemeldet war, sagt Denef. „Bei der SPD war das aber auch kurzfristig kein Problem.“

In der Tat durfte Denef auf dem SPD-Parteitag im letzten Jahr eine (eindrucksvolle) Rede über seine persönliche Geschichte halten: Wie er als Jugendlicher, vom 10. bis 18. Lebensjahr, erst von einem Priester, dann von einem kirchlichen Angestellten missbraucht worden sei, und schließlich erst Jahrzehnte später den Mut aufgebracht habe, über diese Taten zu sprechen.

Damals hatte Denef auch Erfolg: Der Saal erhob sich geschlossen zum Applaus, die SPD stimmte einem Antrag zu, der vor wenigen Wochen sogar in den Bundestag kam.

Der Grünen-Rechtsexperte Jerzy Montag entgegnete nun auf dem Parteitag in Hannover, dass die Grünen sich ja bereits für eine Verlängerung der Verjährungsfristen ausgesprochen hätten. Der Protest sei unfair, da das Thema ja schon lange intensiv behandelt worden sei. Schließlich wurde der Antrag abgelehnt.

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