NORBERT DENEF:
Eine Kirche, die kein rechtsfreier Raum ist
Wir werden diesen Papst nicht vermissen. Joseph Ratzinger suchte wie sein Vorgänger Johannes Paul II. eine Anlehnung an reaktionäre Kreise wie die Legionäre Christi, die Piusbruderschaft und Opus Dei. Das muss nicht bedeuten, dass ein Mitglied von Opus Dei nun Papst werden wird, aber der restaurative Kurs dürfte unter einem neuen Papst fortgesetzt werden. Es sind aber gerade erzkonservative Kreise, die das Forschungsprojekt der Deutschen Bischofskonferenz zur Aufklärung sexueller Gewalt schon im Sommer 2012 zum Scheitern brachten. Ratzinger hatte als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre 2001 die zentrale Meldepflicht für Sexualdelikte mit Minderjährigen eingeführt. Zur Kongregation zählte die Disziplinarsektion, Ratzinger saß also an zentraler Stelle. Doch zur Unterstützung der Opfer trug er aus unserer Sicht nichts bei. Stattdessen wurden Täter und Serientäter weiter geschützt und versetzt. Während heute Opfer in den Vereinigten Staaten hoch entschädigt und Personalakten der Täter im Internet veröffentlicht werden, müssen sich Opfer von Kirchenangehörigen in Deutschland mit ein paar tausend Euro abfinden, oft verbunden mit einer Schweigeverpflichtung. Die römisch-katholische Kirche zählt zu den größten Arbeitgebern in Deutschland. Sie hat in Bereichen wie Arbeitsrecht, Strafrecht und Subventionen einen Sonderstatus. Wir erwarten von der Politik Maßnahmen, damit die Kirche nicht länger außerhalb des Rechtsstaats agiert. Das ist wichtiger, als darauf zu warten, ob ein neuer Papst die alte Kirche anders führt.
Norbert Denef, 63, ist Sprecher des Netzwerks Betroffener von sexualisierter Gewalt, netzwerkB. Er wurde als Kind und Jugendlicher von einem katholischen Priester und vom Chorleiter seiner Gemeinde missbraucht
Küng zu Benedikt: Hauptschuldiger bei der Vertuschung der Missbrauchsfälle
Der Theologe und Kirchenkritiker Hans Küng kritisiert in der PHOENIX-Sendung IM DIALOG (Ausstrahlung am Freitag, 22. Februar 2013, 24.00 Uhr) die Geheimhaltungsvorschrift, die Benedikt, noch als Vorsitzender der Glaubenskongregation, auf alle Bischöfe wegen der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche angewandt hat. „Er hat sich nie dazu geäußert, die irischen Bischöfe getadelt und sich nicht hingestellt und gesagt, dass er der Hauptschuldige für diese Vertuschungsaktion ist. Er war führend beteiligt an der Vertuschung der Missbrauchsfälle“, so Küng.
Der Kirchenkritiker sieht das Pontifikat Benedikts XVI. insgesamt sehr kritisch: „Er hat lieber Bücher geschrieben als die Kirche zu leiten“, so Küng. „Wenn man sieht, was daraus entstanden ist, ist das nicht erfreulich. Es war im Grunde ein Pontifikat von Pannen und ungenützten Gelegenheiten.“ Das Weltbild des Papstes nannte Küng bei PHOENIX „schmalspurig“. Er lebe „geistig im Mittelalter und nicht in der heutigen Zeit“.
Den Rücktritt Papst Benedikts begrüßte Küng. „Ich habe mich gefreut und ihn im Geiste zu diesem Schritt beglückwünscht.“ Dieser Schritt werde „die Sicht auf des Papsttum verändern“.
Quelle: PHOENIX-Kommunikation