Als von sexualisierter Gewalt durch einen katholischen Geistlichen massiv Betroffener habe ich naturgemäß mit ausgeprägtem Interesse verfolgt, wie sich die Organisation Katholische Kirche ihrer Verantwortung für die von ihren Mitarbeitern begangenen und niemals auch nur ansatzweise aufgearbeiteten Verbrechen stellt.

Bis in die jüngste Vergangenheit war ich hin- und hergerissen zwischen der „eigentlichen“ christlichen Botschaft – wie ich sie in meiner Erziehung vermittelt bekommen habe – und der Art und Weise, wie die Katholische Kirche diese „Frohe Botschaft“ vertritt. Mich hat beispielsweise das Mitfeiern der Heiligen Messe, sei es als „einfache“ Eucharistiefeier oder – zu bestimmten Anlässen wie Ostern oder Pfingsten – als Hochamt mit Kirchenchor und Orgel in Fortissimo und einer großen Anzahl von Ministranten – mit der sehr anrührenden und berührenden Musik nachhaltig angesprochen und tief beeindruckt.

Auf der anderen Seite hat mich außerordentlich gestört und geradezu empört, wie die Katholische Kirche mit Klagen und Vorhaltungen Betroffener von sexualisierter und physischer Gewalt umgegangen ist – beispielsweise in den Erzbistümern Regensburg und Paderborn – als Kleriker die Klagenden beschieden haben „wir können Ihre Klagen nicht nachvollziehen“ (Quelle: Berichte in den Medien zB. ARD).

„Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken“ steht beim Evangelisten Matthäus zu lesen, und in diesem Satz sehe ich einen der Schwerpunkte von Seelsorge. Die von sexualisierter Gewalt Betroffenen waren und sind „mühselig und beladen“, die meisten wohl auch ge-laden, und sie mussten sich in ohnmächtiger Wut solche Antworten auf ihre Klagen anhören und kamen sich ein weiteres Mal massiv gedemütigt vor.

Den entscheidenden Anstoß zum Austritt gab mir die jüngste Entwicklung mit dem Scheitern des Projektes, welches die Katholische Kirche mit dem profilierten Kriminologen, Herrn Professor Christian Pfeiffer, zur „Aufarbeitung“ des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger in der Katholischen Kirche initiiert hatte. Die unsägliche Geschichte mit der Ablehnung der mutmaßlich vergewaltigten jungen Frau an zwei katholischen(!!) Kölner Kliniken, wo die betreffenden Mitarbeiter wohl aus Angst vor massiven disziplinarischen Konsequenzen die Unterstützung für die junge Frau verweigerten, bestätigten mir nachhaltig die Richtigkeit meiner Entscheidung. Der barmherzige Samariter im Gleichnis aus dem Lukas-Evangelium hat seinerzeit keine dummen Fragen gestellt und Vorbehalte irgendwelcher Art geltend gemacht, er hat dem Überfallenen nach seinen Möglichkeiten wirksam geholfen und eigene Mittel für dessen Genesung bereitgestellt. Ein Priester (!) und ein Levit, die zuvor den gleichen Weg gekommen waren, „sahen ihn [den Verletzten] und gingen weiter…“

Mein Austritt aus der Katholischen Kirche bedeutet mitnichten, dass ich nicht mehr Christ sein kann oder will, und mich als Christen zu bezeichnen, wird mir kein Kleriker absprechen können. Ob ich ein „guter“ Christ bin, wird nicht in Rom oder sonstwo auf der Welt und auch nicht von einem Kleriker entschieden…

Gez. Eugen Schlatter (Mitglied bei netzwerkB)

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