Der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm (OLG) entzog einer Mutter vorläufig das Recht, ihren Sohn aus kulturellen oder angeblich hygienischen Gründen beschneiden zu lassen. (Beschluss vom 30. August 2013, AZ: 3 UF 133/13). Es bestätigte somit die Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund.

Vom Gericht moniert wurde unter anderem, die geschiedene, allein sorgeberechtigte Mutter habe mit dem sechs Jahre alten Kind nicht ausreichend gesprochen. Auch sei die Mutter selbst noch nicht ordnungsgemäß und umfassend aufgeklärt worden. Die Entscheidungsbefugnis über eine Beschneidung bleibt vorerst dem zuständigen Jugendamt Dortmund als Ergänzungspfleger übertragen. Den Angaben des Gerichts ist nicht zu entnehmen, welche Partei sonst noch am Gerichtsverfahren beteiligt war, etwa, ob sich der nicht sorgeberechtigte Vater an das Jugendamt gewandt hatte.

Ferner schreibt das Oberlandesgericht: „Gegen eine Beschneidung spreche nicht, dass diese medizinische Risiken habe und Schmerzen verursachen könne, weil diese Umstände mit jeder nicht medizinisch indizierten Beschneidung verbunden seien.“

netzwerkB vertritt herzu folgende Position:

Auch das Oberlandesgericht selbst ist konkret nicht in der Lage, das Kind vor einer willkürlichen Verstümmelung seiner Genitalien dauerhaft zu schützen, denn es stellt auf eine Aufklärung des Kindes oder sogar eine Einverständnisfähigkeit ab.

Ein sechs Jahre altes Kind ist niemals ausreichend über eine Operation und deren Folgen aufklärbar. Eine Operation ist immer ein traumatisches Ereignis. Ebenso stellt der dauerhafte Verlust der Vorhaut aus nicht-medizinischen Gründen eine durch nichts zu rechtfertigende Körperverletzung dar.

netzwerkB hält die am 28. Dezember 2012 in Kraft getretene Vorschrift § 1631 d Bürgerliches Gesetzbuch zur Erlaubnis der Beschneidung des männlichen Kindes aus medizinisch nicht-indizierten Gründen für grundgesetzwidrig.

netzwerkB stellt weiterhin fest, dass die Politik nicht den Mut aufbringt, diese Fehlentscheidung des Parlaments vor dem Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Ebenso gibt es nicht einmal verlässliche Studien über die Folgen.

Eine Politik, die medizinische Risiken, Schmerzen und Genitalverstümmelung für Kinder zulässt – zum Teil sogar unter Bedingungen, für die ein Arzt die Zulassung sofort entzogen bekäme – und sich aus der Verantwortung stiehlt, ist beschämend für diesen Rechtsstaat.

netzwerkB fordert eine sofortige Korrektur der Gesetzeslage, die das Kindeswohl grundlegend und unverrückbar über die Interessen von kulturellen Gruppen und religiösen Gemeinschaften stellt. Der Schutz vor verstümmelnden Maßnahmen an den Genitalien gehört hierzu genauso wie der besondere Schutz von Kindern und Jugendlichen vor physischer, psychischer und sexueller Gewalt.

Kinder, denen eine Beschneidung mit oder ohne Einverständnis der Eltern in den Heimatländern droht, sind zudem davor zu schützen, dass sie in die Heimatländer ausreisen.

Der neue Bundestag ist hierzu gefragt. Wir fordern die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel, auf, eine Korrektur herbeizuführen. Wir halten es für alarmierend, definitiv vorhandene medizinische Risiken, Schmerzen und Einschränkungen der Funktion von Organen zuzulassen, wenn es um Kinder geht. Mit Kinderschutz hat dies absolut nichts mehr zu tun.


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Pressemitteilung des Oberlandesgerichts
http://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/presse_weitere/PresseOLGs/25_09_2013/index.php

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