Offener Brief an:

Geschäftsstelle Fonds Sexueller Missbrauch
Glinkastraße 24
10117 Berlin

Sehr gehrte Damen und Herren,

danke für Ihre Antworten auf meine Fragen (als PDF herunterladen). Ich komme aufgrund Ihrer Antworten zu der Erkenntnis, dass Ihr Fonds mir nicht helfen kann. Ihr Fonds kommt für mich zu spät. Meine Schmerzensgeldforderung für erlittenes Leid, dass während meiner, auch von Psychologen und Psychiater diagnostizierten, akuten PTBS von der Bundesagentur für Arbeit seit 2005 durch Sanktionsandrohungen nach dem SGB II von inkompetenten psychologisch nicht geschulten Fallmanagern auf mich ausgeübt wurde, würde die finanziellen Mittel ihres Fonds sprengen.

Viele Opfer sexualisierter Gewalt haben aufgrund einer PTBS ihren Arbeitsplatz verloren und sind nach einem Jahr Bezug von Arbeitslosengeld I auf Grundsicherung nach dem SGB II angewiesen. Ich brauche Ihnen wohl nicht weiter zu erklären, dass dies das A-sozialste Gesetz ist, dass jemals ein Bundeskanzler in dieses Abendland implantiert hat. Es ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar,  es ist zutiefst menschenverachtend und entwürdigend.

Da sitzen irgendwelche Gestrandeten in den Amtsstuben der BA und Jobcentern und bedrohen willkürlich, „nach pflichtbewussten eigenem Ermessen“ PTBS-Kranke. Sie vermitteln die PTBS Kranken unter Sanktionsandrohungen irgendwo hin, in Leiharbeit, in Minijobs, in Arbeitsgelegenheiten, in Bürgerarbeit, in Maßnahmen, und tun grad so, als wenn der Wiederaufbau Deutschlands ansteht und jede Arbeitskraft, ob krank oder nicht, gebraucht wird. Diese Inkompetenten gehen hin und fordern von schwerst seelisch Leidenden unter Sanktionsandrohungen psychologische Gutachten an und werten diese aus, nach ihrem eigenen inkompetenten Ermessen. Man wird unter Sanktionsandrohungen gezwungen, einem Fallmanager, der vielleicht noch Tage zuvor im Callcenter gearbeitet hat, seine  Seele zu offenbaren. Passt dem Inkompetenten das Gesicht des PTBS-Kranken und das psychologische Gutachten nicht, schlägt der Manager zu, der Fallmanager. Er bedroht den seelisch Leidenden in seiner Existenz, indem er ihm androht, seine Grundsicherung zu kürzen wenn er nicht nach seinem Ermessen spurt. Er übt Macht über ihn aus. Der Runde Tisch schweigt dazu und steht seit November 2011 im World Wide Web wie eine digitale gelbe Signatur- anklickbar und abgestanden wie stinkendes gelbblasses Brackwasser. Er hat mit sich abgeschlossen und wartet jetzt auf die Opfer, die sich zumutbar bewegen sollen.

Gehen Sie bitte davon aus, dass ich Ihnen diese Zeilen nur schreiben kann, weil ich diese Schikanen mit einer PTBS überlebt habe. Ich hätte aber auch genauso gut schon tot sein können, denn ich stand kurz davor. In meiner akuten PTBS wäre ich auch nicht in der Lage gewesen, Sie um Hilfe zu bitten, geschweige denn einen Antrag auf finanzielle Hilfe zu stellen wenn es vor 2010 schon einen von der Bundesregierung eingerichteten Fonds gegeben hätte. Das schafft kein Betroffener.

Heute wird ja bekanntlich von der Bundesregierung fürs Fußvolk, unter strengsten Sanktionsauflagen, alles terminiert. Der Bundesregierung hingegen muss man Zeit geben an Tagen wie diesen, wie Volker Kauder einst sang. Keine Verjährungsfrist für das Aussitzen der Bundesregierung, aber eine Verjährungsfrist für die Opfer. Opferwürde nach Augenmaß und abhängig von der Insolvenz der Täter. Wie viele Jahre dürfen denn noch vergehen, bis die Ersthilfe Ihres Fonds den Opfern wirklich hilft, die zudem für viele Opfer bereits 3 Jahre zu spät kommt. 720 Anträge aus dem Fonds sind bis heute bei Ihnen eingegangen. Wo sind die Anträge der 20.000 Menschen, die ihr Leid damals der Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung mitgeteilt haben? Glauben Sie denn ernsthaft, die 20.000 hätten alle ihr Leid nur deshalb der Bundesregierung mitgeteilt, weil sie damals schon ahnten, dass da ein Fonds Sexueller Missbrauch kommt? Sie hätten sofort nach dem Start des Fonds Sexueller Missbrauch allen 20000 Betroffenen je 10000 Euro auf ihr Konto überweisen sollen. Das wäre eine wirkliche Soforthilfe gewesen, wenn auch verspätet. Anerkennung der Leiden der Opfer in jeglicher Hinsicht sieht für mich anders aus.

Ich zitiere einen Absatz eines Opfers aus dem Abschlussbericht der Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, Dr. Christine Bergmann  vom 24.Mai 2011 Seite 248:

Zitat:

„Vor 10 Jahren stellte ich im Rahmen meiner Aufarbeitung die Anträge nach dem

Opferentschädigungsgesetz. Können Sie sich vorstellen, dass bis zum heutigen Tage noch KEIN endgültiges Urteil gesprochen wurde!? Können Sie sich vorstellen, dass meine Schilderungen von sexuellem Missbrauch in einer unglaublich brutalen Art von Amtsärzten als „unglaubwürdig“ und „leider

nicht beweisbar“ immer wieder niedergetrampelt wurden!?

Auf meinem Leben, meinem Schicksal, meiner Geschichte, meinem eh schon tief verletztem Ich wird wiederholt drauf rumgetrampelt. Mein Schmerz, mein Leid, wird noch mal um 10 Jahre verlängert. Es ist nichts anderes als das, was mir früher passierte.“

Zitat Ende

Diese Frau haben Sie doch wohl direkt nach dem Start des Fonds  angerufen und ihr völlig unbürokratisch 10000 Euro überwiesen, oder etwa nicht? Sie hätte das Geld jedenfalls schnellstens gebraucht.

Wer zu früh traumatisiert war und heute noch traumatisiert ist, den bestraft jetzt die Zumutbarkeit des Fonds. Das Opfer soll sich traumatisiert bewegen, soll Beweise ranschaffen, soll sich eine Lotsin/Lotsen nehmen, soll Anträge stellen, soll zivil klagen, soll strafrechtlich klagen. Und wofür? Für subsidiäre „Sachleistungen“ wie Taxifahrten zum Tatort?

Warum gehen Sie nicht auf die Opfer zu, um ihnen zu helfen? Warum muten Sie Opfern zu, Beweise zu erbringen?  Warum gehen Sie nicht auf die Täter zu, um sie zu verhören? Warum setzen sie sich nicht dafür ein, dass die tägliche Ausstrahlung der Börsennachrichten kurz vor Acht abgesetzt wird und informieren über Rundfunk und Fernsehen stattdessen die Opfer über den Fonds Sexueller Missbrauch?  Nicht jedes Opfer hat einen Internetzugang, aber umso mehr einen Fernseher. Wovon gehen Sie aus? Das vielleicht irgendwelche Idioten, die keine sexuelle Gewalt erfahren haben, es wagen würden, einen Antrag auf Opferentschädigung oder Hilfe aus dem Fonds zu stellen? Das ist eine Entwürdigung und Zumutung für die wirklich Leidenden, die genau aus diesem Grund, nämlich weil man ihnen nicht glauben könnte, keinen Antrag stellen. Und die Bundesregierung schaut zu.

Und sowieso beißt sich hier die Katze dauernd in den Schwanz und dreht sich im Kreis: War ein/e BetroffeneR in einem Trauma, welches von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden konnte weil der/die Betroffene aus Scham und Schuld nicht fähig war sein Trauma mitzuteilen und aufzuarbeiten, so war er/sie auch nicht in der Lage, um Hilfe zu bitten, obwohl er/sie genau dann diese Hilfe gebraucht hätte. Ist ein/e Betroffene/r hingegen raus aus dem Trauma und kann wieder klar denken und sich mitteilen, verweigert man diesem Betroffenen die Hilfe, wie Sie sie auch mir verweigern würden, würde ich einen Antrag stellen. Er braucht diese Hilfe ja jetzt nicht mehr.

Zumutbarkeit für Opfer ist aus Ihrer Sicht nicht verhandelbar. Der Fonds macht sie zur Pflicht während Täter – überspitzt-, zur Resozialisierung auf die Bahamas geflogen werden. Ihre vermeintliche Hilfe auf drei Jahre begrenzt und dann auch noch subsidiär, ist eine unzumutbare Zumutung für die ungehörten Hilfeschreie der Betroffenen, die bereits für viele Betroffene, wie gesagt, 3 Jahre zu spät kommt.

Freundliche Grüße

Karl Görtz

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