Die Gesellschaft sollte erkennen dass niemand nur ausschließlich Opfer oder nur Mann ist

von Beate Lindemann-Weyand

Vor kurzem konnte ich in einer abendlichen Talksendung einem Schauspieler lauschen, der in illustrer Runde lachend erzählte, wie ihm im Kindesalter von einer Frau zu Nahe getreten wurde. Kein Mensch merkte auf, im Gegenteil, es wurde gelacht- weil es einfach immer noch ein riesiges Tabu ist, dass Jungen Betroffene sein könnten, Opfer von Übergriffen. Das liegt u.a. auch an einer schwarz- weiß-getönten Sicht. Die Gesellschaft ist bisher noch nicht so weit, dass man einen Menschen sowohl als Mensch, als AUCH als Opfer sehen kann. Es gib nur: entweder man ist ganz und gar Opfer, ODER man ist keines.

Niemand ist nur Opfer

Würde sich aber z.B. der Schauspieler als Opfer outen, würde er sofort nicht mehr AUCH als Mensch und Schauspieler gesehen werden, sondern ausschließlich als ARMES Opfer. Auch wenn sich die Übergriffe auch auf die meisten Facetten eines Menschen auswirken können, ist nicht alles ein einziger Brei, ein Klumpen „Opfer“. Diese Differenzierungsfähigkeit geht auch verloren, wenn man sagt, dass man auf keinen Fall Opfer ist- denn dann klammert man aus, was eine -von anderen zugefügte- schwere Verletzung und Beeinträchtigung bedeutet und welche Folgen es hat, dass man einem/einer TäterIn als Kind zum „Opfer“ fiel. Dann gibt es keine Taten mehr, denn wo kein Opfer, da keine Taten, oder wie? Männer trifft die ausschließliche Opfer-Rollenzuschreibung noch viel härter. Denn die Gesellschaft ist es bisher nur gewohnt, dass Frauen Opfer sein können. Auch wenn diese Zuschreibung Frauen leider auch immer noch festkettet an bestimmten Klischees und es noch viel zu tun gibt, Frauen dennoch ernst und für voll zu nehmen, kommen Männer als Opfer nach wie vor überhaupt nicht vor.

Niemand weiß wie man mit einem männlichen Opfer umgehen kann. 

Auch die männlichen Betroffenen, die Übergriffen zum Opfer fielen, wissen es oftmals nicht. Zuerst muss man einmal  damit klarkommen, für sich selbst, dass es so war, und dann kommt die nächste Schicht, die Rolle mit der man nach Außen geht. Wie wird ein Mann betrachtet, der von sich erzählt, er hätte als Kind sexuelle Gewalt erfahren, z.B. von einer Frau? Wer nimmt ihn ernst? Wie viele Sprüche wird er sich anhören oder hinter vorgehaltener Hand mit einem Grinsen verbunden noch wahrnehmen müssen? „Hahaha der war aber früh dran…“  Wie lange wird er seinen Job noch machen können, sofern er auf Grund seiner Folgen dazu in der Lage wäre?

Für alle Betroffenen ist es schwierig, weiblich wie männlich, und es ist ein weites Feld, auf dem noch vieles mehr als brach liegt. Doch man merkt in Bezug auf männliche Betroffene am aller deutlichsten wie wenig sich getan hat und wie viele Fragen offen sind. Wie lebt es sich als männlicher Betroffener? Wie geht er mit seinem beruflichen Umfeld um, wenn man arbeitsfähig ist? Wie gestalten sich Bekanntschaften mit anderen Menschen? Wie wird man wahrgenommen?  Viele zusätzliche Fragen großer Not werfen sich in der Pubertät auf und hier müssten die männlichen Jugendlichen dringend aufgefangen werden, aber nicht nur als „potentielle“ Täter, sondern vor allem auch als werdende Männer, die sexualisierte Gewalt erfahren haben. Oft haben männliche Jugendliche die Befürchtung für schwul gehalten zu werden, oder manche sind es. Wie soll man z.B. in diesem Fall damit leben, dass man für andere männliche Jugendliche mehr empfindet, und gleichzeitig steht die sexualisierte Gewalterfahrung womöglich mit einem Mann im Hintergrund? Wie geht man mit Sexualität überhaupt um? Wer antwortet?

Wer ist da draußen und wem kann man(n) sich anvertrauen?

In unserer Gesellschaft stellen sich generell viele Fragen für auch nicht betroffene Pubertierende, an denen oft höchstens vorbei oder politisch korrekt geantwortet wird. Die Wirklichkeit der jungen Menschen wird nicht gesehen, und die der Opfer und in diesem Fall der männlichen Opfer von sexualisierter Gewalt, komplett ausgeblendet. Was ist Männlichkeit? Bloß kein Opfer, dann lieber Täter, oder irgendetwas „Unsichtbares“ dazwischen? Wer ist man(n),  und kann Mann sein, wenn man kein Opfer sein darf, weil man sonst zum „nur noch Opfer“ gemacht wird?  Viele Fragen, kaum Antworten. Viel Verstecken, Alleinsein und Einsamkeit auch für männliche Betroffene, heterosexuell oder homosexuell orientiert. Opfer gewesen zu sein schließt für Mann und Frau einen selbstbewussten Weg mit den Verletzungen und Einschränkungen absolut nicht aus! Es gibt allen Grund dazu, zumal Überleben nur mit viel Mut und Kraft möglich  ist! Es gibt bereits Vorbilder! Auch durch ein selbstbewusstes netzwerkB ist für viele Männer ein Anfang gemacht worden!

Um Diskussion wird gebeten!

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