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WDR 5: Beim Katholikentag in Regensburg ist das Thema sexueller Missbrauch eines unter vielen. Am heutigen Veranstaltungstag ist es ein Hauptthema. Es war zuletzt der Papst selbst, der den Missbrausskandal in der katholischen Kirche neuerlich in den Mittelpunkt gerückt hat als er bei seiner Rückreise von seinem Besuch im Nahen Osten sagte, es gebe Null Toleranz für Geistliche die Kinder missbrauchten, das sei ein hässliches Verbrechen was einem Verrat an Gott gleichkomme. Der Papst kündigte außerdem für Anfang Juni ein erstes Treffen mit Opfern an. Zu diesen Opfern gehört Norbert Denef, er ist Vorsitzender der Selbsthilfeorganisation netzwerkB. Ich habe ihn vor der Sendung gefragt, ist das Solidarität die Franziskus da zeigt oder ist es, wie der Vorsitzende einer amerikanischen Opferorganisation sagt, eine Geste, ein PR-Coup, ein weiteres Stück Symbolismus?

Denef: Ich sehe das nur als eine Wiederholung. Das hatten wir doch schon alles vor drei Jahren, wo Papst Benedikt in Amerika eine Messe gefeiert hat, auch noch ein paar Tränen vergossen hat. Das kommt gut an bei den Menschen, aber das ist nichts weiter als eine PR – ich schließe mich da an.

WDR 5: Sie sehen also grundsätzlich noch keine Änderung der Linie der Kirche bei diesem Thema, seit dem Wechsel von Benedikt zu Franziskus?

Denef: Nein, überhaupt nicht. Schauen Sie, das ist ganz einfach: Hier soll gebetet werden, eine Messe gefeiert werden – hier ist ein Schaden entstanden, der muss ersetzt werden. Das ist ganz einfach: Wenn Papst Franziskus mit seinem alten Auto, er fährt ja alte Autos, da ist das leicht vorstellbar, wenn er im Stadtverkehr ein paar Autos kaputtfährt und da ist zufällig eins dabei was vielleicht Hunderttausend Euro kostet, dann kann er auch nicht sagen, komm wir gehen jetzt Mal zusammen Messe feiern, wir beten, sondern da muss der Schaden halt bezahlt werden – das ist ganz normal. Und hier wird jetzt seit fünf Jahren, mehr als fünf Jahren, ich selber bin ja schon 20 Jahre dabei, wird geredet und gebetet und  Fürbitten gehalten. Das können die ja alles machen, Glauben ist ja eine Privatsache und so soll es auch bleiben. Wenn aber ein Schaden entstanden ist, dann muss man den halt wieder gutmachen.

WDR 5: Wieder gutmachen, dazu gehören auch Geldzahlungen. Die katholische Kirche hat inzwischen Entschädigungen gezahlt an 1300 Opfern. Im Durchschnitt waren das etwa 5000 Euro pro Person, in Einzelfällen bis zu 18000. Das halten Sie für nicht ausreichend?

Denef: Nein, überhaupt nicht. Außerdem waren das keine Entschädigungen, sondern das war nur eine Anerkennung des Schadens, das ist ein rechtlicher Unterschied. Sonst würde die Kirche sich ja festnageln und würde ja bekennen, dass sie Schaden angerichtet hat. Damit kommt man sehr billig aus der Affäre raus. Gucken Sie Mal: 5000 Euro im Schnitt, 5000 Euro ist knapp die Hälfte eines Gehaltes von einem Bischof. Das ist doch ein Vergleich gegenüber einem Menschenleben was zerstört ist – eine Verhöhnung der Opfer.

WDR 5: Wie beurteilen Sie die Arbeit des Missbrauchsbeauftragten der katholischen Bischofskonferenz in Deutschland, des Bischofs Ackermann aus Trier?

Denef: Das ist ähnlich zu sehen. Da sind viereinhalb Jahre vorbei. Ich beurteile immer die Menschen nach der Leistung und dann ziehe ich unten drunter einen Strich, schau mir an was sie geleistet haben und dabei ist rausgekommen: Nichts, gar nichts. Da sind die 5000 Euro rausgekommen. Damit versucht man sich frei raus zukaufen. Mehr ist dabei nicht rausgekommen. Dann sagt man noch, wir machen Prävention, Prävention, aber die Aufarbeitung bleibt unterm Strich – Null. Die Verjährungsfristen sind nach wie vor noch da. Über wirkliche Entschädigungen wird nicht gesprochen. Sondern man versucht Zeit zu schinden – mehr ist das nicht.

WDR 5: Bei den strafrechtlichen Verjährungsfristen ist natürlich der Staat gefragt, der Gesetzgeber, da kommen wir auch noch drauf. Immerhin hat der neue Papst im Zuge der von ihm angestrebten Reform der Kurie eine Kinderschutz-Kommission eingesetzt. Die hat Anfang des Monats ihre Arbeit aufgenommen, besteht aus drei Klerikern, fünf Laien, darunter auch einem Opfer. Sie sollen neue Wege suchen im Kampf gegen sexuellen Missbrauch und der zuständige Kardinal O’Malley der sagt dazu: es glaubten noch zu viele, dass Missbrauch nur einzelne Ortskirchen betreffe. Klingt das zumindest recht vielversprechend?

Denef: Wissen Sie, gesprochen wurde bis jetzt sehr viel in den letzten fünf Jahren, fünfeinhalb Jahren, seit dem die Welle hochgekommen ist. Gesprochen und geredet wurde viel, aber gehandelt – bei den Opfern ist nichts angekommen. Jetzt sollen sie wieder beten, wieder eine Messe feiern, das geht nicht, weil es sind viele bei den Opfern drunter, die wollen mit der Kirche nichts mehr zu tun haben. Das muss man achten, dass muss man akzeptieren und die darf man nicht ausgrenzen. Hier wird ausgrenzt und das ist das Übelste was man machen kann mit Betroffenen.

WDR 5: Was fordern Sie statt dessen konkret?

Denef: Ich fordere konkret eine Begegnung auf Augenhöhe, das was ich vorgeschlagen habe. Ich habe einen Akt der Versöhnung vorgeschlagen, dem Papst, seit über einem Jahr. Ich habe auch persönlich die Unterlagen dort abgegeben. Einen Akt der Versöhnung, das heißt, sich auf Augenhöhe treffen und nicht sagen, ich bin jetzt derjenige der die Messe feiert. Wir müssen sagen ok, du bist da gläubig, das ist ok und da gibt es eben auch andere Leute die nicht glauben. Aber da ist ein Schaden angerichtet worden und darüber muss man sprechen und sich nicht irgendwelche strenggläubige Katholiken einladen mit den man zusammen beten kann und dann der Gesellschaft vorgaukeln: guckt mal, wir tun ja was.

WDR 5: Was die Verschärfung der strafrechtlichen Verjährungsfristen angeht ist da, was den Gesetzgeber betrifft, noch nicht genug auf den Weg gebracht worden?

Denef: Nein, in keinster Weise. Schauen Sie, der jetzige Bundesjustizminister, der hat 2010 mir persönlich einen Brief geschrieben, an netzwerkB, dass er für die kompletten Aufhebungen der Verjährungsfristen sei. Jetzt ist er Bundesjustizminister, jetzt schraubt er das ganze wieder zurück und jetzt will er versuchen mit 30 Jahren, das heißt, die Hemmung soll jetzt auf 30 Jahre angehoben werden. Damit sind wir keinen Millimeter weiter. Wenn diese gleiche Welle, die wir jetzt hatten, Anfang 2010, in 30 Jahren noch mal kommt, stehen die gleichen Opfer an der gleichen Stelle. Odenwaldschule, die bekannten Institutionen, dort konnte kein Fall aufgeklärt werden, weil die Verjährungsfrist eingetreten ist. Das heißt, wir machen wieder nur Makulatur, wir machen wir nur ein Stücken, ein bisschen was, damit die Gesellschaft beruhigt ist. Die Verjährungsfristen gehören komplett aufgehoben und zwar auch rückwirkend im Zivilrecht, damit aufgearbeitet werden kann. Und die Kirche, der Papst, könnte das als Erster tun, der hat nämlich nichts demokratisch zu entscheiden, der kann das selbst tun, der kann sagen: Die sind aufgehoben und auch rückwirkend und wir arbeiten auf und wir öffnen die Aktenarchiv-Lager. Das wäre klare Sache und nicht Messe feiern mit viel Weihrauch und Beten – das bringt uns überhaupt nicht weiter.

WDR 5: Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche zum Stand der Aufarbeitung war das im WDR 5 Morgenecho, aus Anlass des Katholikentages in Regensburg, Norbert Denef, er ist Vorsitzender der Opferorganisation netzwerkB. Ich danke Ihnen.

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