Der Scharbeutzer liest morgen, am 4. Juli 2014, in Niendorf aus seinem zweiten Buch. Ein ZDF-Fernsehteam von „Hallo Deutschland“ wird dabei sein.

Von Christina Düvell-Veen

Scharbeutz/Niendorf – Norbert Denef sitzt Tag für Tag in seinem Arbeitszimmer. „Alles muss raus. Ich will Ordnung in meinem Kopf“, sagt er und schreibt an seinem zweiten Buch. Über 600 Seiten sind schon fertig. Denef weiß, dass er kürzen muss.

Der 65-Jährige, der seit 2008 mit seiner Ehefrau Veronika in Scharbeutz lebt, ist in den vergangenen Jahrzehnten bundesweit bekannt geworden als ein Mann, der sich dafür einsetzt, Verjährungsfristen für sexuellen Missbrauch aufzuheben. Wann immer er vor die Kameras tritt, zieht er seinen roten Pullover an. Dieses Kleidungsstück mit dem großen Wiedererkennungswert begleitet ihn seit nunmehr 20 Jahren.

Denef ist inzwischen auch bekannt als Sprecher von „netzwerkB“, einem Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt. Dabei handelt es sich um eine unabhängige Interessenvertretung, in der sich Betroffene für die Rechte Betroffener einsetzen, indem sie das gesellschaftliche Schweigen brechen. Oft stand Denef im Mittelpunkt von Fernsehsendungen wie „Hart aber fair“, „Menschen bei Maischberger“ oder im „Morgenmagazin“. Er sprach auf einem SPD-Bundesparteitag, wurde beim Parteitag der Grünen im Jahr 2012 hinausgeworfen und machte mit Demonstrationen in Berlin und Rom auf das Unrecht aufmerksam. Immer wieder reagierte er zudem auf Anfragen von Pressevertretern aus dem In- und Ausland.

Nicht ohne Grund heißt sein neues Buch daher auch „20 Jahre im Rampenlicht“. Er hat einige Kapitel aus seinem ersten Buch „Ich wurde sexuell missbraucht“ übernommen. Die Beschreibungen der Ereignisse, die sich im Rampenlicht, aber auch in den Kulissen dahinter abspielten, beginnen mit dem Erscheinen des ersten Artikels, der über ihn verfasst wurde. Und vielleicht enden sie mit der „Hallo Deutschland“-Sendung, die im August im ZDF ausgestrahlt werden soll. Dafür wird am morgigen Freitag ein Fernsehteam an die Ostsee kommen und den Beitrag aufnehmen. Mit eingebaut werden dann auch Augenblicke einer öffentlichen Lesung aus dem Buch, das Anfang nächsten Jahres erscheinen soll. Dazu lädt Denef alle Interessierten morgen ab 11 Uhr in das Haus des Kurgastes, Strandstraße 121 a, nach Niendorf in die Gemeinde Timmendorfer Strand ein. Die Veranstaltung wird etwa eine Stunde dauern und musikalisch umrahmt von Denefs Tochter Kristin mit ihrer Querflöte. Der Eintritt ist frei.

„Früher war ich der technische Leiter eines Theaters, und daher weiß ich auch, dass das Rampenlicht eine große Gefahr für die Darsteller bedeutet – man kann darin verbrennen“, sagt Denef heute. Dennoch wagte er vor 20 Jahren den Schritt in die Öffentlichkeit. Den ersten ging er mit einem Artikel in der Frankfurter Rundschau (FR), betitelt mit „Missbrauch: Erfahrung beider Geschlechter – Ein Mann plant gemeinsame Selbsthil- fegruppe“. Die FR-Leser und damit auch Freunde und Verwandte erfuhren, dass er zwischen seinem zehnten und dem 18. Lebensjahr als ehemaliger Ministrant in der katholischen Kirche seiner Heimatstadt Delitzsch in Sachsen von zwei Freunden der Familie sexuell missbraucht wurde – zuerst vom Pfarrer und anschließend vom Chorleiter. Danach hatte er 35 Jahre lang geschwiegen.

Als Denef mit der Aufarbeitung der persönlichen Katastrophe begann, erfuhr er recht bald, dass diese Taten nach so vielen Jahren nicht mehr bestraft werden können. Er nahm den Kampf gegen diese Verjährungsfristen auf. Denef ging sogar so weit, dass er am 8. Juni 2012 in einen Hungerstreik trat und diesen erst nach 46 Tagen beendete. Wieder gab es ein riesiges Medienecho.

Quelle: 03.07.2014 Lübecker Nachrichten