Anhörungsprotokoll des Familie, Kinder und Jugendausschusses zum Antrag “Kinderschutz geht alle an – Prävention stärken, Zusammenarbeit von Jugend- und Gesundheitshilfe ausbauen“ im Landtag Nordrhein-Westfalen, am 5. Februar 2015.
…Norbert Denef (netzwerkB e.V., Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V. – Stellungnahme 16/2543): Frau Vorsitzende! Vielen Dank für die Einladung. Ich bin gefragt worden, was ich von diesem System RISKID halte. Ich bedanke mich ganz herzlich für diesen Hoffnungsschimmer, so möchte ich das bezeichnen – einen Hoffnungsschimmer für die Opfer, die ein Leben lang leiden und die durch diese kleine Maßnahme vielleicht eher Hilfe erhalten.
Wir sind das Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt. Wir vertreten bundesweit Opfer. Uns liegen über 20.000 Leserbriefe vor. Wir haben eine ausführliche Stellungnahme abgegeben, in der auch einige Beispiele vorkommen. Ich möchte an die vielen Kinder anknüpfen, die dabei umkommen. Angesichts der Zahlen von drei Kindern pro Woche, ca. 150 im Jahr, stelle ich mir die Leichenberge vor. Ich stelle mir auch die Hoffnungslosigkeit vor, dass man nichts tut und dass man das vielleicht wieder auf den Bund verschieben will: Die Bundesregierung soll es machen. Daraus wird nichts, kann ich Ihnen sagen! Wir haben in den letzten fünf Jahren die Erfahrung gesammelt, dass unter dem Strich nichts herausgekommen ist.
Wir würden uns wünschen, dass Sie hier in Nordrhein-Westfalen versuchen, etwas gegen den Täterschutz zu tun, den wir überall noch ganz stark haben. Diese Botschaft möchte ich gern mit der Hoffnung abgeben: SPD und Grüne mögen sich parteiübergreifend mit der CDU zusammentun, mit dem Hin und Her der Parteien aufhören und jetzt etwas tun, indem sie sagen: Wir entscheiden uns für diesen kleinen Hoffnungsschimmer. Mehr ist es doch nicht: Da wollen Ärzte miteinander reden. Sie wollen sich austauschen. Und da kommen die und sagen: Das geht aus den und den Gründen – warum auch immer – nicht. Bitten hören Sie damit auf! Machen Sie es möglich! Setzen Sie sich zusammen und sagen: okay, Datenschutzgründe. Daran müssen wir etwas ändern. Aber wir wollen das jetzt hier in Nordrhein-Westfalen machen. – Vielen herzlichen Dank….
…Norbert Denef (netzwerkB e.V., Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.): Die Frage war, inwieweit netzwerkB in Nordrhein-Westfalen bisher eingebunden wurde oder wird. netzwerkB hat sich Anfang 2010 gegründet, als der „Missbrauchs-Tsunami“, wie wir ihn bezeichnen, durch die Medien losging und wir festgestellt haben, dass es bis dato keine direkte Opfer-Interessenvertretung gibt. Wir haben gesagt: Wir wollen uns selbst vertreten. Wir wollen nicht mehr vertreten werden. Diese Misere haben wir festgestellt. Da hat sich einiges geändert. Da ist noch vieles offen und im Argen. Wir sind bundesweit tätig. Wir sind auch weltweit vernetzt. Ich habe es eingangs schon angedeutet: Bei uns sind mehr als 20.000 Leserbriefe eingegangen, also Schicksale, die darin geschildert werden. Wir sind quasi die Basis, worüber wir heute reden. Das ist die Theorie. Wir sind die Basis ganz am Ende. Wir stellen fest, was alles nicht funktioniert.
Wir haben in unserer Stellungnahme Beispiele aus Opferberichten aufgeführt, um zu zeigen: Das ist die Praxis. So sieht es aus. Das hören wir täglich. Wir kämpfen darum und setzen uns dafür ein, nicht unmittelbar den Opfern direkt zu helfen, sondern an die Ursachen zu gehen, Gesetze zu verändern, zum Beispiel dass die Verjährungsfristen aufgehoben werden, wie auch in anderen Ländern. Da sind wir nur ein kleines bisschen weitergekommen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Anzeige- und Meldepflicht kommt. Wir setzen uns dafür ein, dass angemessene Entschädigungen für den Schaden gezahlt werden, der angerichtet wurde. Wir setzen uns dafür ein, als Opfer in der Gesellschaft anerkannt zu werden. Davon sind wir noch meilenweit entfernt. Wer möchte Opfer sein? Gibt es im Bundestag oder hier in Nordrhein-Westfalen einen oder eine, die gesagt hätte: Ich wurde auch sexuell missbraucht. Gibt es sie? Ich kann nur empfehlen: Bitte, macht das nicht. Ihr überlebt wahrscheinlich den heutigen Tag nicht. Ihr werdet ausgegrenzt. Opfer ist ein Schimpfwort unter den Kindern und Jugendlichen. Da müssen wir ran. Wir müssen an die Ursachen heran und genau da etwas ändern.
Um die Frage zu beantworten: Ich bin heute hier. Insofern sind wir als netzwerkB hier jetzt eingebunden. Wir würden uns freuen, wenn wir unsere Erfahrungen mehr mit einfließen lassen könnten.
Amtierender Vorsitzender Walter Kern: Danke schön, Herr Denef. Den Bericht zu lesen, war schon erschütternd. Einen Hinweis an alle Parteien: Über die Bearbeitungsfristen müssten wir uns gesondert unterhalten. Es war schon bemerkenswert, wie lange das teilweise dauert. Das ist keine Bewertung, sondern eine Feststellung zum Protokoll. Ich schlage vor, dass wir parteiübergreifend darüber sprechen….
Weiterführende Informationen:
Einladung Anhörung von Sachverständigen
Stellungnahme netzwerkB
Anhörungsprotokoll
schon vor jahren habe ich meinen „missbrauchsfall bei den Jesuiten“ am Kolleg in bad Godesberg öffentlich gemacht über zwei film-berichte im ard usw. es gibt dazu mittlerweile sogar eine Dissertation von christa grigoleit und ein vorzügliches buch „unheiliger berg“ von e.hagenberg-miliu. aber es rührt sich so gut wie nichts. die Jesuiten sitzen das einfach aus und die betroffenen leiden ein
leben lang !
prof.dr.gernot lucas
Soweit. So schlecht. Da der Herr Vorsitzende direkt einen Nebenkriegsschauplatz (Bearbeitungsfristen) eröffnet, ist „heiße Luft“ noch das beste aller Ergebnisse.
Darauf scheinen wir verlassen, uns vom mageren Brot der Hoffnung zu zehren. Da erfährt man ein gekonntes Spiel der Ablenkung, des Vorschiebens von Bedeutsamkeiten, die dem Fortschritt den Weg versperren, das Entgegenwirken gegen Erneuerung durch Gesetze, die es nicht zulassen, und wahrscheinlich Positionen, die sexuell gefärbte Gewalt nie erfahren haben.
Weil diese Gewalt es meist zur Folge hat, dass ihre Opfer solche Ämter nicht bekleiden, oder Qualifikationen( unmenschliche Härte, Neutralität ) die dafür notwendig sind, nicht erlangen können, haben wir in diesen Stellen keine Sachverständigen.
Bleibt uns also wie bei den Verjährungsfristen schon, das Warten auf eine bessere Zeit mit Menschen drin, die über diesen Fortschrittsvermeidungsunsinn hinaus noch spüren und denken können.
Kinofilme über unerwünschte Fiktionen und was denn wäre, wenn die Opfer zusammen kämen, um selbst zu handeln, so etwas würde vielleicht manche eiserne Haltung bewegen. (?)
Bemerkenswert, wie wenig Handlungsfreiheit für das Wohl eines Kindes der Gesetzgeber zulässt.
Immerhin wurde unser Sachverständiger angehört. Immerhin konnte der Sachverständige Sprenger von der Polizei die Schlussfolgerung aus RISKID ziehen „Wir haben ab dem Jahr 2006 bis heute kein einziges getötetes Kind mehr in unserem Bereich gehabt“.
Immerhin musste der Landtag Prof. Zieglers deutliche Warnung anhören „Es kann nicht sein, dass wir das Kinderschutzsystem sabotieren und den ohnehin bislang quantitativ geringen Anteil aus dem medizinischen Bereich noch weiter reduzieren“ – dies alles war gut so!
Immerhin KÜMMERN sich PolitikerInnen mit Impulsen von Menschlichkeit um Unfallbetroffene – gut so!
Welche Kanzlerin, welche Ministerpräsidentin, welche Ministerin aber wird sich endlich auch in angemessenerer Weise an unseren ’steilen Felswänden‘ (bitte ohne Showeffekte) um die lebenslängliche Sorgen und Nöte kümmern? Wurden nicht gerade durch tödliche Verjährungsfristen Opfer s.G. POLITISCH produziert???
WIE VIELE Uberlebende gaben schließlich sich selbst auf und resignieren und mögen nicht länger „vom mageren Brot der Hoffnung zehren“?
Wie lange noch?…!