Ende der Verjährung gefordert

Weltweit erheben Frauen – und auch Männer – Vorwürfe wegen sexueller Gewalt. Oft gegen Prominente. Doch Urteile sind selten zu erwarten, da die Handlungen verjährt sind.

Mit der #MeToo-Debatte um sexuelle Gewalt rücken nicht nur die Betroffenen in den Fokus – der Blick der Öffentlichkeit richtet sich besonders auf die Beschuldigten. Wenn Opfer ihr Schweigen brechen, liegen die Übergriffe oft schon viele Jahre zurück. Eine juristische Aufarbeitung kann in diesen Fällen wegen unterschiedlicher Verjährungsfristen schwierig bis unmöglich sein. Das schade nicht nur den Opfern, sondern auch den Beschuldigten, schreibt nun das Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt.

Unschuldsvermutung ausgehebelt

Mit der Verjährung werde vielen Opfern die Erfahrung von Gerechtigkeit und Entschädigung verweigert, meint das Netzwerk. So sei die #MeToo-Debatte zu einem „Aufschrei der Massen“ geworden, der dazu führen könne, dass die Unschuldsvermutung ausgehebelt werde.

Öffentliches Anprangern könne Ansehen, Karriere und bürgerliche Existenz eines Beschuldigten zerstören. „Hier ist der Staat gefragt, eine klare Situation zu schaffen, die Rechtsstaatlichkeit sowohl für Opfer als auch für unter Verdacht stehende Täter wiederherzustellen“, heißt es in dem Schreiben vom Mittwochabend.

Auch Beschuldigte in Deutschland

Mit dem Schlagwort #MeToo (deutsch: ich auch) hatten Frauen und Männer weltweit von Übergriffen berichtet, die sie durchmachen mussten. Oft richteten sich die Vorwürfe gegen Prominente aus der Filmbranche. In Deutschland ist der Regisseur Dieter Wedel schwer beschuldigt worden, bis hin zum erzwungen Sex – Wedel widerspricht den Vorwürfen.

Seine Partnerin Uschi Wolters verteidigte den 75-Jährigen nun im Magazin „Bunte“. Die Vorwürfe seien „absurd“, sagte Wolters laut Interview. „Ich weiß, dass mein Mann keiner ist, der Frauen missbraucht oder ihnen Gewalt antut.“ Die aktuelle Situation empfinde sie als „beklemmend“, sagte Wolters weiter: „Die Ankläger bekommen recht, alle fallen über den Beschuldigten her.“

Michael Douglas fürchtet um das Glück seiner Familie

Auch Oscar-Preisträger Michael Douglas schaltete sich jetzt in die Diskussionen ein: Er kam möglichen Vorwürfen sexueller Belästigung gegen ihn mit einem Gang an die Presse zuvor. Von einer Anwältin habe er erfahren, dass eine Frau, die vor mehr als 30 Jahren für ihn gearbeitet habe, Vorwürfe erhoben habe, sagte Douglas dem Filmportal „Deadline.com“. Sie soll behauptet haben, er habe vor ihr masturbiert. Der 73-Jährige bezeichnete das als „komplette Lüge“.

„Der Teil, der mir am meisten wehtut, ist, dies alles mit meiner Frau und meinen Kindern teilen zu müssen.“ (Michael Douglas, Schauspieler)

Douglas, der mit der Schauspielerin Catherine Zeta-Jones verheiratet ist und mit ihr zwei Kinder hat, fürchtet um das Glück seiner Familie: „Der Teil, der mir am meisten wehtut, ist, dies alles mit meiner Frau und meinen Kindern teilen zu müssen.“ Er unterstütze die #MeToo-Bewegung aus vollem Herzen. „Doch das ist ein Schritt, der dieser Bewegung einen Rückschlag versetzen kann. (…) Ich würde mir wünschen, wir wären vorsichtiger, zu beschuldigen und beschuldigt zu werden.“

Aufregung in Frankreich

In Frankreich hatte kurz zuvor ein Artikel für Aufsehen gesorgt, den Filmstar Catherine Deneuve gemeinsam mit rund 100 weiteren Frauen unterzeichnet hatte. Der Text kritisiert, die #MeToo-Debatte habe eine „Kampagne der Denunziation“ nach sich gezogen, und warnt vor einem „Klima einer totalitären Gesellschaft“. Die Aktivistin Caroline de Haas erwiderte darauf: „Wie kann man sich auch nur für einen Augenblick eine befreite Gesellschaft vorstellen, in der die Frauen frei und vollständig über ihren Körper und ihre Sexualität verfügen, wenn jede Zweite angibt, schon sexuelle Gewalt erlitten zu haben?“

Das Netzwerk der Missbrauchsbetroffenen schreibt mit Blick auf die Situation in Deutschland, es sei vor allem ein Problem, dass „im Grunde genommen ein rechtsfreier Raum“ existiere. Für einzelne Betroffene sei der Gang an die Öffentlichkeit ein „mutiger und authentischer Akt, sich verlorene Kontrolle durch ein Brechen des Schweigens zurückzuholen“. Als Ganzes stelle sich die Bewegung aber – wegen schwieriger rechtlicher Möglichkeiten, die Vergehen zu verfolgen – eher als ein „Akt der Hilflosigkeit“ dar. Die Verjährungsfristen sexueller Gewalt sind sehr unterschiedlich.

Der Verein netzwerkB bezeichnet sich auf seiner Website als unabhängige Interessenvertretung: „Betroffene setzen sich für die Rechte Betroffener ein, indem sie das gesellschaftliche Schweigen brechen“, heißt es.

Quelle: Sophia Weimer, dpa