Kluft im Pontifikat: Papst Franziskus wird als Reformer wahrgenommen, doch beim wichtigsten Thema, dem sexuellen Missbrauch, versagt er.

An diesem Montag ist Papst Franziskus von seiner jüngsten Lateinamerikareise nach Rom zurückgekehrt. Auf seiner einwöchigen Fahrt nach Chile und Peru widmete sich der Papst unter anderem indigenen Völkern im Amazonas-Gebiet und der Bedrohung ihrer Lebensräume. Er verurteilte gewalttitige Machokultur, bezeichnete die Korruption als „Virus“ Lateinamerikas und sprach den Opfern einer Flutkatastrophe Mut zu. Besondere Aufmerksamkeit zog Franziskus auf sich, als er einer vom Pferd gestürzten Polizistin in Chile persönlich zur Hilfe eilte und angeblich spontan ein Paar von Flugbegleitern im Flugzeug traute. Wie sich herausstellte, hatte das Paar bereits im Dezember öffentlich den Wunsch geäußert vom Papst im Flugzeug den Ehe-Segen gespendet zu bekommen. So kam es dann auch. Die Wirklichkeit stellt sich oft ein wenig anders dar, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag.

Das gilt auch für das Thema des sexuellen Missbrauchs. Gleich zu Beginn seiner Fahrt hatte sich der Papst in Santiago de Chile öffentlich bei Betroffenen entschuldigt, die Opfer sexuellen Missbrauchs durch Mitglieder des katholischen Klerus geworden sind. Diese Geste war aufsehenerregend. Besonders in Chile ist das Thema nach zahlreichen Missbrauchsskandalen virulent. Als es aber um einen konkreten Fall ging, nämlich die Vorwürfe gegen den von Franziskus 2015 ernannten Bischof von Osorno, Juan Barros, zeigte sich der oft so mild erscheinende Papst besonders rigoros. Als ihn eine Reporterin im chilenischen Iquique nach dem Bischof fragte, antwortete Franziskus unüblich scharf: „Es gibt keinen einzigen Beweis gegen ihn. Das ist alles Verleumdung. Ist das klar?“
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